Camel Club 02 - Die Sammler
seinem Kreuz unter dem Hosenbund. »Es juckt wie verrückt, und vom Batteriekasten ist meine Hose so eng, dass ich kaum noch Luft bekomme.«
»Das bildest du dir wahrscheinlich nur ein«, entgegnete Milton, »weil du solches Nervenflattern hast.«
Caleb bedachte ihn mit einem bösen Blick. »Glaubst du?« Er schob sich aus dem Auto. »Sorg auf alle Fälle dafür, dass du die Neun-eins-eins per Schnellwahltaste erreichst, Observator.«
»Versteht sich von selbst«, gab Milton zur Antwort, nahm ein Nachtsichtfernglas zur Hand und observierte die Umgebung. Außerdem hatte er eine Hochgeschwindigkeitskamera und einen Taser dabei.
Caleb hatte mit Jewell English telefoniert. Anscheinend war sie erfreut gewesen, dass er die Brille gefunden hatte. Ungeachtet der fortgeschrittenen Abendstunde wäre es ihr recht, wenn er sie ihr brächte, hatte sie ihm versichert. »Ich schlafe wenig«, hatte sie Caleb am Telefon anvertraut und dann mit kindlicher Mädchenstimme hinzugefügt: »Aber vielleicht treffen Sie mich im Nachthemd an.«
»Wie aufregend«, hatte Caleb in mattem Tonfall geantwortet.
Während er nun zu ihrem Haus strebte, besah er sich die nähere Umgebung. Es waren ausnahmslos alte Ziegelhäuschen mit kleinen Vorgärten, deren Rasenflächen sorgsam gemäht waren. Alle lagen schon im Dunkeln. Caleb erschrak, als er eine Katze durch einen Garten schnüren sah. Mehrmals holte er tief Luft. »Sie ist nur eine alte Dame, die ihre Brille verloren hat«, murmelte er vor sich hin. »Nur eine alte Dame, die ihre Brille verloren hat. Eine alte Dame, die vielleicht Spionin ist und Halsabschneider kennt, die jetzt darauf lauern, mir die Gurgel aufzuschlitzen.« Er blickte sich nach dem Auto um. Zwar konnte er Milton nicht sehen, aber er vermutete, dass sein Begleiter momentan eifrig Schnappschüsse eines verdächtig aussehenden Rotkehlchens machte, das in der Nähe auf einem Zweig lungerte.
In Jeweils Haus brannte Licht. Caleb sah hinter den Fenstern Spitzengardinen und durch das große Wohnzimmerfenster einen getünchten Kamin, auf dessen Sims Nippes und sonstiger Kitsch standen. Indessen fehlte in der rostigen Behelfsgarage ein Auto. Caleb nahm an, dass die Alte das Autofahren aufgegeben hatte oder ihr Fahrzeug sich zur Reparatur in einer Werkstatt befand. Der Rasen war radikal gemäht, und den Hauseingang flankierten zwei säulenwüchsige Rosensträucher.
Caleb läutete und wartete. Niemand kam. Er klingelte ein zweites Mal. Wieder hörte er keine Schritte.
Er schaute umher. Die Straße blieb leer und still. Vielleicht zu still, überlegte er, wie es immer im Film ist, unmittelbar bevor jemand erschossen, erstochen oder gefressen wird.
Vor knapp über einer Stunde hatte er die Alte angerufen. Was mochte sich inzwischen ereignet haben? Er hatte die Klingel gehört, aber vielleicht konnte sie das Geräusch nicht hören. Resolut pochte er an die Haustür. »Jewell?« Er rief ihren Namen lauter. Irgendwo bellte ein Hund, und Caleb fuhr zusammen. Aber das Tier hielt sich nicht im Haus auf; wahrscheinlich war es der beste Freund eines Nachbarn. Caleb klopfte fester und drückte gegen die Tür, die zu seinem Erstaunen nach innen schwang.
Am liebsten hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und die Flucht ergriffen. Man betrat schlicht und einfach kein Haus, dessen Tür sich auf diese Weise öffnete.
»Caleb?«, rief die Stimme so unvermittelt, dass er um ein Haar einen Herzstillstand erlitten hätte. Er kreischte auf und klammerte sich ans Geländer der Eingangstreppe, um nicht vor Grauen in einen Rosenstrauch zu stürzen.
»Caleb!«, wiederholte die Stimme eindringlicher.
»Was … wer … großer Gott!« Wie ein Rasender drehte Caleb sich im Kreis, um zu sehen, wer ihn rief. Seine Füße rutschten und schlitterten über den klammen Beton der Stufen. Ihm wurde dermaßen schwindelig, dass er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
»Ich bin’s«, rief die Stimme. »Milton.«
Geduckt verharrte Caleb und stützte sich mit den Händen auf die Knie, während er verzweifelt zu verhindern versuchte, dass er das Abendessen in die duftigen Rosen erbrach. »Milton?«
»Ja doch.«
»Wo bist du?«
»Im Auto. Ich spreche durch das Gerät mit dir. Es hat nicht nur eine Sende-, sondern auch eine Empfangsfunktion.«
»Zum Teufel, warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Ich hab’s dir gesagt. Du hast es offenbar vergessen. Aber ich weiß ja, dass du unter Druck stehst.«
»Kannst du mich deutlich verstehen?«, fragte Caleb
Weitere Kostenlose Bücher