Camel Club 02 - Die Sammler
Wunsch hätte, die Wahrheit zu finden«, sagte Pearl, »käme ich als Letztes auf die Idee, meine Suche vor dem Weißen Haus zu beginnen.« Er wandte sich wieder an Caleb. »So, und nun zu Ihrem Anliegen.«
Rasch erklärte Caleb, dass er zu DeHavens literarischem Nachlassverwalter ernannt worden war und die Aufgabe erhalten hatte, die Sammlung seines Vorgesetzten für eine Auktion vorzubereiten.
»Ja, DeHavens Tod war in der Tat eine Tragödie«, sagte Pearl ernst. »Und Sie sind zu seinem literarischen Nachlassverwalter bestimmt worden?«, fügte er verwundert hinzu.
»Ich habe Jonathan beim Aufbau seiner Sammlung geholfen«, entgegnete Caleb leicht gereizt, »und wir haben in der Bibliothek eng zusammengearbeitet.«
»Ach ja?«, antwortete Pearl patzig. »Aber offenbar brauchen Sie jetzt dennoch den Rat eines Experten.«
Calebs Gesicht nahm eine rosige Tönung an. »Ah … ja, könnte man sagen. Ein Verzeichnis der Sammlung ist auf Miltons Notebook gespeichert.«
»Ich sähe es lieber in schriftlicher Form«, erwiderte Pearl.
»Wenn Sie einen Drucker haben«, sagte Milton, »kann ich die Liste schnell zu Papier bringen.«
Pearl schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Druckerpresse im Haus, nur stammt sie aus dem sechzehnten Jahrhundert, deshalb bezweifle ich, dass sie mit Ihrem Plastikkästchen kompatibel ist.«
»Wohl kaum«, murmelte Milton betroffen. Als begeistertem Anhänger jeder technischen Neuerung warf ihn Pearls Mangel an einschlägigen Gimmicks offenbar aus dem Gleis.
»Egal, wir können das Verzeichnis ausdrucken und es Ihnen morgen hereinreichen«, schlug Caleb vor. Er zögerte. »Mr. Pearl«, sagte er dann, »da ich nun schon einmal hier bin, kann ich es Ihnen auch gleich sagen: Jonathan hatte eine Erstausgabe des Bay Psalm Books in seiner Sammlung. Wussten Sie das?«
Pearl schob die Brille von der Stirn auf die Nase. »Was haben Sie da gerade gesagt?«
»In Jonathans Sammlung befindet sich ein Exemplar des 1640er Bay Psalm Books.«
»Das ist unmöglich.«
»Ich hab’s in der Hand gehabt.«
»Ausgeschlossen.«
»Aber wenn ich’s sage!«, beharrte Caleb.
Pearl winkte ab. »Dann muss es sich um eine spätere Ausgabe des Psalm Books handeln. Also kein Grund zur Aufregung.«
»Das Exemplar enthält keine Noten. Noten gab es erst 1698 in der neunten Auflage.«
Pearl warf Caleb einen vernichtenden Blick zu. »Ich nehme an, es wird Sie nicht wundern, dass dieser Sachverhalt mir bekannt ist. Aber wie Ihre Einlassungen implizieren, gab es sieben weitere Ausgaben ohne Noten.«
»Es ist die Ausgabe von 1640. Das Erscheinungsjahr steht auf der Titelseite.«
»Dann ist es entweder ein Faksimile, Sir, oder eine Fälschung. Leider sind Fälscher bisweilen höchst geschickt. Ein ganz ehrgeiziger Schuft hat einmal den Oath of a Freeman gefälscht, ein Druckwerk, das ein Jahr älter ist als das Psalm Book.«
»Ich dachte«, meldete Stone sich daraufhin zu Wort, »das 1640er Psalm Book ist das älteste in Amerika gedruckte Buch.«
»Das ist es auch«, antwortete Pearl ungnädig. »Der Oath ist kein Buch, sondern ein einzelnes Blatt, eine so genannte Flugschrift. Und wie der Name andeutet, steht eine Art Schwur darauf, wenn man’s so nennen will – ein Eid, den jeder männliche Puritaner ablegte, um in der Massachusetts Bay Colony wahlberechtigt sein und andere Privilegien genießen zu dürfen.«
»Und so ein Flugblatt ist mal gefälscht worden?«, fragte Stone.
»In der Tat. Und der Fälscher – Ironie des Schicksals – griff dabei auf ein Faksimile des Psalm Books zurück. Warum? Weil das Psalm Book und der Oath auf ein und derselben Druckerpresse vom selben Drucker und mit denselben Lettern hergestellt wurden.« Mit einem Finger tippte Pearl auf Calebs Brust. »Dieser Kriminelle war überaus erfinderisch, sodass es ihm beinahe gelungen wäre, Ihre Kongressbibliothek zum Ankauf seines Machwerks zu bewegen. Der Schwindel ist erst aufgeflogen, als ein Druckwesenfachmann gewisse Unstimmigkeiten entdeckte.«
»Ich bin seit über einem Jahrzehnt in der Raritätenabteilung tätig«, sagte Caleb eingeschnappt. »Ich habe das bei uns aufbewahrte Psalm Book genauestens untersucht und bin überzeugt, dass es sich in Jonathans Sammlung um ein Original der Erstausgabe handelt.«
Misstrauisch sah Pearl ihm ins Gesicht. »Wie war doch gleich Ihr Name?«
Nun wurde Calebs rosig angelaufenes Gesicht tomatenrot. »Caleb Shaw.«
»Also, Shaw, haben Sie das Buch den üblichen wissenschaftlichen
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