Camel Club 03 - Die Spieler
schaute nach rechts. Dort lag Milton und hielt die Hände über den Kopf. Der zweite Erschossene war auf ihn gestürzt.
»Bist du verletzt?«, fragte Stone.
»Nein.«
Stone zog den Leichnam von Milton und hievte den Freund auf den Montageroller, den sie dadurch doppelt belasteten. Dennoch gelangten sie wohlbehalten durch den Saal zurück zu der Treppe zur Galerie, während Finn, um ihnen nochmals Feuerschutz zu geben, zwei Magazine seiner Pistole leer schoss.
»Ich bringe dich zu Annabelle«, sagte Stone zu Milton. »Sie, du und David, ihr werdet euch durch einen Belüftungsschacht absetzen, der ins Capitol führt. Für dich wird es ein bisschen eng sein, aber du kannst es schaffen.«
»Da komme ich nicht durch, Oliver.«
»Warum nicht?«
»Wegen meiner Klaustrophobie.«
Stone stöhnte auf. »Na schön, dann musst du mit mir kommen.«
»Aber ich gehe nirgends durch, wo es eng ist«, sagte Milton nervös.
»Es ist hier überall sehr eng«, entgegnete Stone ungehalten. »Hast du gesehen, wie viele Männer Gray mitgenommen hat?«
»Ein Dutzend.«
»Dann sind noch zehn übrig.«
Die nächste Phase der Flucht erforderte, dass sie eine größere freie Fläche überwanden. Sicherlich beobachteten Grays Männer ihr Umfeld durch die Nachtsichtgeräte. Sie waren ausgezeichnete Hilfsmittel, hatten jedoch einen Schwachpunkt, wie Stone wusste.
Er streifte die Nachtsichtbrille ab, konzentrierte sich und drückte die Taste ein zweites Mal, sodass die Beleuchtung wieder aufflammte. Grays Männer stießen Schmerzensschreie aus, da ihre Nachtsichtgeräte die plötzliche Helligkeit so sehr verstärkten, dass sie wie Dolche in die Augen stach.
Stone und Milton rannten los.
Kaum waren sie in Deckung, hatten Grays Männer den Schmerz und Schreck verwunden und eröffneten von Neuem mit übermächtiger Feuerkraft den Beschuss. Stone ließ Milton allein und eilte davon. Finn und sein Sohn lagen noch hinter der Betonbarriere; sie konnten sich wegen der Kugeln nicht vom Fleck rühren. Stone schwang sich auf den noch mit Kisten beladenen Gabelstapler und lenkte ihn zu Harry und David. Die von Grays Leuten verschossenen Projektile prallten von den schweren Metallteilen in den Kisten ab.
Dank dieses improvisierten fahrbaren Schutzschilds gelangten alle drei in einen relativ sicheren Winkel und stießen dann zu Milton. Im Eiltempo sprinteten sie zur Halle hinaus und durch mehrere Türen eines ausgedehnten Korridors. Dann gaben sie den geschockten David in Annabelles Obhut.
»Mein Gott, wieso sind denn Sie hier?«, fragte Annabelle, als sie Milton sah.
»Eine lange Geschichte, aber es fehlt die Zeit, sie zu erzählen«, antwortete Stone. »Es bleibt dabei, Sie und David fliehen durch die Ventilation. Milton kommt mit uns.«
Finn umfing seinen tränenüberströmten Sohn, der sich mit beiden Armen fest an seinen Vater klammerte.
Schließlich gelang es Finn, sich aus dem Griff des Jungen zu lösen und ihm zu erklären, dass er mit Annabelle gehen musste. »Du musst deiner Mutter beistehen«, verdeutlichte er ihm. »Ich komme nach, so schnell ich kann.«
»Dad, sie töten dich! Bestimmt bringen sie auch dich um!«
»Glaub mir, ich habe schon brenzligere Situationen überstanden«, sagte Finn und zwang sich zu einem Lächeln.
Annabelle blickte Stone an, nahm seine Hand und drückte sie. »Bleiben Sie am Leben, Oliver. Bitte bleiben Sie am Leben.«
Stone und Finn halfen ihr und David, in den Ventilationsschacht zu klettern. Dann wurden Stone und Milton von Finn in einen Stollen gebracht, der parallel zu dem Korridor verlief, den sie eben durchquert hatten. Der Stollen war für den Fall angelegt worden, dass die Bauarbeiter aus dem Rohbau evakuiert werden mussten, aber aus irgendeinem Grund nicht den Hauptausgang des Besucherzentrums benutzen konnten.
Sie hielten vor einer abgesperrten Tür. Stone zerschoss das Schloss, und Finn öffnete die Tür, hinter der sich ein langer Gang erstreckte.
»Dieser Weg führt uns ins Jefferson Building«, sagte Finn.
Stone nickte. »Caleb hat mir erklärt, wie man das Gebäude verlassen kann, ohne gesehen zu werden. Gehen Sie voran, Harry. Milton bleibt in der Mitte, und ich gebe die Nachhut ab.«
Milton spähte in den dunklen Gang. »Bist du sicher, dass es da ungefährlich ist?«
»So sicher wie …«
Stone erfuhr nie, woher der Schuss kam. Er hörte ihn kaum. Er sah nicht, dass Finn die Pistole hochriss und feuerte. Ebenso wenig sah er den Schützen zusammenbrechen.
Er sah nur Milton.
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