Camel Club 03 - Die Spieler

zurück zum Schnellboot, fixierte sich wieder an dessen Rumpf und kehrte auf diesem Weg an Land zurück. Er hatte diesen Auftrag vor allem deshalb angenommen, weil er ihm ein bisschen Übung für ein Vorhaben eher privater Natur verschaffte. Finn durchdachte die Einzelheiten der geplanten Aktion, während er die unruhige Rückfahrt zur Küste hinter sich brachte. Nachdem das Schnellboot angelegt hatte, verließ er sein Versteck, schwamm zu einem entlegenen Abschnitt des Piers, kletterte aus dem Wasser und streifte die Schwimmausrüstung ab. Er tätigte den erforderlichen Telefonanruf und meldete sich anschließend beim Diensthabenden mit einer Begleitung hochrangiger Militärs, die zuvor gewettet hatten, dass Finns Plan niemals gelingen könnte, wollte er doch vor der Küste Virginias eine Bombenattrappe am Rumpf des von der Marine hochgepriesenen Flugzeugträgers George Washington anbringen. Im Ernstfall wäre die Sprengkraft der Bombe stark genug gewesen, um den Flugzeugträger mitsamt der gesamten Besatzung und den Flugzeugen zu versenken.
    Diesmal erhielten der Admiral der Atlantikflotte und jeder unmittelbare Untergebene seiner Befehlshierarchie einen Zehn-Megatonnen-Anschiss vom Stabschef, zufällig ein Vier-Sterne-General des Heeres. Der General konnte seine Schadenfreude kaum verhehlen, während er die Kameraden von der Marine mit solcher Lautstärke zur Schnecke machte, dass es später hieß, man hätte das Gebrüll noch im fast dreihundert Kilometer entfernten Pentagon gehört. Dieser mehr oder weniger öffentliche Anpfiff hatte umso mehr Gewicht, als er in Anwesenheit des Verteidigungsministers vonstatten ging, der in seinem Hubschrauber mitverfolgt hatte, ob Harry Finn es tatsächlich schaffte, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Dass er gegen jede Wahrscheinlichkeit einen solchen Triumph errungen hatte, bewog den Verteidigungsminister, Finn augenblicklich einen Posten in seinem Stab anzubieten.
    Auf diesen Versuch, einen dermaßen wichtigen freien Mitarbeiter abzuwerben, reagierte der Minister der Homeland Security wenig erfreut. Die beiden Kabinettsmitglieder zankten sich wie Schuljungen auf dem Spielplatz, bis sich per abhörsicherem Videokonferenzanruf der Präsident höchstpersönlich einschaltete und entschied, dass Harry Finn weiter wie bisher arbeiten sollte: als selbstständiger Vertragspartner des DHS. Stocksauer stieg der unterlegene Verteidigungsminister in seinen Hubschrauber und flog nach Washington zurück.
    Harry Finn blieb noch in Norfolk und gab einer Gruppe niedergeschlagener Marine-Sicherheitsbeauftragter eine Reihe von Erklärungen. Zwar trat er stets höflich und respektvoll auf, nahm aber kein Blatt vor den Mund, wenn es galt, auf Fehler, Schwächen und Versäumnisse hinzuweisen.
    In einschlägigen Kreisen bezeichnete man die Betätigung, mit der Finn seinen Lebensunterhalt verdiente, häufig als »Rote-Zelle-Aktivität«. Der Begriff stammte von einem einstigen Marine-SEAL-Angehörigen. Ursprünglich war das Projekt Rote Zelle schon kurz nach dem Vietnamkrieg auf Initiative eines Vizeadmirals eingeleitet worden, um die Sicherheit militärischer Anlagen zu testen. Nach dem 11. September 2001 hatte man das Projekt ausgeweitet, um zu untersuchen, wie weit auch nichtmilitärische Einrichtungen Schutz gegen Terroristen und Mitglieder anderer krimineller Organisationen genossen.
    Menschen mit Finns besonderen Fähigkeiten – fast ausschließlich vormalige Angehörige des Militärs – erhielten die Aufgabe, terroristische Zellen zu simulieren und zu versuchen, die Sicherheitsvorkehrungen bestimmter Einrichtungen zu überwinden. Oft geschah das Eindringen auf unkonventionelle Weise und mit Methoden, die man als »Individualprofil-Aktionen« bezeichnete. Das bedeutete, Finn und seine Teamkollegen mussten sich in die Mentalität und das Leistungsvermögen der Terroristen hineindenken, um deren Gefährlichkeit beurteilen zu können. Derzeit maß man radikalislamischen Terroristen keine allzu hohe Leistungsfähigkeit zu. Selbst nach den Anschlägen des 11. September bezweifelten amerikanische Geheimdienstkreise, dass solche Terrorgrüppchen eine bedeutende Einrichtung überfallen oder zustande bringen konnten, was Finn am vergangenen Abend an dem Flugzeugträger demonstriert hatte. Sie waren gut darin, sich in der Öffentlichkeit in die Luft zu sprengen oder Flugzeuge in Wolkenkratzer zu lenken, doch Angriffe auf ein Atomkraftwerk oder eine militärische Anlage gehörten in eine ganz andere