Camel Club 03 - Die Spieler
Dunkelheit. Kein Mond, keine Sterne. Ein aufziehendes Unwetter verdüsterte den Himmel.
»Ich hätte nie geglaubt, dass John Carr einmal ins Philosophieren verfällt.«
»Das beweist nur, wie wenig Sie mich kennen. Und ich bin nicht mehr John Carr. Der ist tot. Darüber wurden Sie bestimmt schon vor etlichen Jahren informiert.«
»Dieses Haus wurde früher von einem anderen Ex-Direktor der CIA bewohnt«, erklärte Gray unbeeindruckt, »der dann Vizepräsident wurde. Es bietet mir alles, was ich brauche, damit ich es auf die alten Tage bequem und sicher habe.«
»Freut mich für Sie«, sagte Stone.
»Offen gestanden überrascht es mich, dass Sie gekommen sind. Ich meine, nach dieser Geste vor dem Weißen Haus …«
»Wie geht es eigentlich dem Präsidenten?«
»Glänzend.«
»Haben Sie wieder Mordgelüste verspürt, als er Ihnen den Orden umgehängt hat? Oder sind Sie inzwischen über den Drang hinaus, den Mann umzubringen?«
»Ohne direkt auf Ihre alberne Frage zu antworten: Umstände ändern sich. Es ist nie etwas Persönliches. Das müssten gerade Sie wissen.«
»Die Sache ist nur, ich wäre nicht mehr am Leben, wäre es nach Ihnen gegangen.« Stone kam einer eventuellen Erwiderung zuvor. »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Antworten geben. Ehrliche Antworten.«
Gray stellte das Glas Scotch ab. »Also schön.«
Stone wandte sich vom Fenster ab und blickte ihn an. »So einfach ist das?«
»Warum sollten wir die Zeit, die uns bleibt, mit Spielchen vergeuden, die keine Bedeutung mehr haben? Ich nehme an, Sie möchten mich nach Elizabeth fragen.«
»Ich will über Beth Bescheid wissen, meine Tochter.«
»Ich werde Ihnen so gründlich antworten, wie ich kann.«
Stone nahm ihm gegenüber Platz und stellte ungefähr zwanzig Minuten lang eine Frage nach der anderen. Die letzte Frage sprach er mit einem Beiklang von Angst aus. »Hat sie jemals nach mir gefragt? Nach ihrem Vater?«
»Wie Sie wissen, haben Senator Simpson und seine Frau sie adoptiert und großgezogen.«
»Aber Sie haben mir erzählt, Sie hätten Beth bei ihnen untergebracht, als Simpson noch bei der CIA gearbeitet hat. Falls sie etwas gesagt hätte, wäre doch bestimmt …«
Gray hob die Hand. »Sie hat etwas gesagt. Und zwar, nachdem Simpson die CIA verlassen und eine politische Laufbahn eingeschlagen hatte. Es mag sein, dass sie die Angelegenheit vorher schon mal andiskutiert hatte, aber es war das erste Mal, dass ich von einer solchen Frage hörte. Man hatte Elizabeth bereits Jahre zuvor darin eingeweiht, dass sie ein Adoptivkind war, doch allem Anschein nach hat sie sich deswegen nie sonderlich viel Kopfzerbrechen gemacht. Ich bezweifle sogar, dass sie mit allzu vielen Leuten darüber gesprochen hat.«
Stone beugte sich vor. »Was hat sie über ihre wahren Eltern gesagt?«
»Bei allem Respekt, Ihnen sollte klar sein, dass sie zuerst nach ihrer Mutter gefragt hat. Mädchen interessieren sich an erster Stelle für die Mutter.«
»Natürlich verstehe ich, dass sie sich für ihre Mutter interessiert, aber …«
»Selbstverständlich mussten sie vorsichtig sein, bedenkt man die … äh, Umstände, unter denen ihre Mutter ums Leben gekommen ist.«
»Sie sprechen von ihrer Ermordung. Durch Leute, deren eigentliche Absicht es war, mich zu töten.«
»Wie ich schon sagte, damit hatte ich nichts zu tun. Ich mochte Ihre Frau gut leiden. Und um die Wahrheit zu sagen, sie könnte noch am Leben sein, wenn Sie nicht …«
Stone stand auf und maß Gray mit einem Blick, bei dem es diesem kalt über den Rücken lief, denn er wusste nur zu gut, welche exotischen Methoden Stone kannte, einen Menschen ins Jenseits zu befördern. »Es tut mir leid, John … Ich meine, Oliver. Ich gebe zu, Sie konnten nichts dafür.« Er schwieg, während Stone sich bedächtig wieder setzte. »Man hat ihr ein bisschen über ihre Mutter erzählt – nur Positives, das versichere ich Ihnen –, und dass sie bei einem Unfall ums Leben gekommen ist.«
»Und ich?«
»Man sagte dem Mädchen, ihr Vater sei Soldat gewesen und bei der Erfüllung seiner Pflicht gefallen. Ich glaube, man hat ihr sogar in Arlington Ihr ›Grab‹ gezeigt.« Gray hielt kurz inne. »Sind Sie nun zufrieden?«
Sein Tonfall machte Stone stutzig. »Ist das auch die Wahrheit? Oder ist es eine Wahrheit in Carter-Gray-Manier? Ist es bloß Quatsch, um mich zu beschwichtigen?«
»Welchen vernünftigen Grund sollte ich jetzt noch haben, Sie anzulügen? Das
Weitere Kostenlose Bücher