Camel Club 03 - Die Spieler
Steilwand des Kliffs zu erklettern hatte sogar für Finn eine Herausforderung bedeutet. Doch erst dadurch war es ihm möglich geworden, sich so nah anzuschleichen. Nun aber musste er noch näher heran.
Finn wartete eine Stunde lang, um einigermaßen sicher sein zu können, dass Gray schlief; dann huschte er zu dem Pfosten, in den man den Gasregulator eingebaut hatte. Für Gray war eine eigene Erdgasleitung zur Villa verlegt worden, weil er zum Heizen und Kochen Gas bevorzugte.
Zehn Minuten später löschte der überhöhte Druck, mit dem das Gas plötzlich in Grays Haus strömte, sämtliche Zündbrenner und neutralisierte die regulär installierten Sicherheitsvorrichtungen. Binnen Sekunden füllte das Haus sich mit tödlichem Gas. Wäre Gray noch wach gewesen, hätte er es gerochen, weil dem ursprünglich geruchlosen Gas zu Warnzwecken ein Geruchsstoff beigefügt wurde. Ja, Gray hätte es riechen können, wäre er wach gewesen, aber es hätte ihm nichts mehr genutzt.
Finn lud ein Projektil in sein Gewehr. Das Geschoss sah aus wie herkömmliche Gewehrmunition, hatte allerdings eine grüne Spitze. Finn zielte und schoss auf das breite Fenster an der Rückseite des Hauses. Das Fenster war leicht zu treffen. Das Brandgeschoss durchschlug die Scheibe, und die extrem brennbare Pulverfüllung explodierte. Die Wucht der Detonation schleuderte das tonnenschwere Hausdach drei Meter hoch, und sämtliche Außenmauern barsten meterweit heraus. Was vom Dach übrig blieb, krachte senkrecht hinunter in ein tosendes Feuer. Schon nach wenigen Sekunden hätte niemand mehr geglaubt, dass dort eben noch ein Haus gestanden hatte.
Finn hatte sich umgedreht, um auf dem vorher geplanten Fluchtweg das Weite zu suchen, als er einen Schrei hörte. Ein Bodyguard war aus dem Gästehaus gelaufen und von einem brennenden Trümmerstück getroffen worden; jetzt stand der Mann in Flammen. Seine Kollegen waren nirgends zu sehen. Ohne nachzudenken, rannte Finn zu dem Mann, der auf dem Boden zappelte, wälzte ihn hin und her und erstickte die Flammen. Dann sprang er auf und huschte schnell wie ein Schatten zu der Ausrüstung, die er in der Nähe des Pfostens mit dem Gasregulator zurückgelassen hatte. Zuvor hatte er den Gasdruck wieder auf den normalen Wert eingestellt und die Klappe geschlossen. Er raffte Tasche und Gewehr an sich, eilte zur Klippe und schleuderte alles in die Tiefe. Bald würden die Gezeiten alles weit hinaus aufs Meer treiben.
Finn trat ein paar Schritte zurück, nahm Anlauf und sprang über die Felskante ins Leere. In klassischer Turmspringerhaltung tauchte er ins Wasser, durchstieß ein paar Meter entfernt wieder die Oberfläche und schwamm mit kraftvollen Zügen ungefähr einen Kilometer die Küste entlang. Dann stieg er ans Ufer. In einem Wäldchen hatte er, mit Ästen und Laub getarnt, ein Motorrad versteckt. Über Feldwege fuhr er zur Landstraße und bog schließlich in eine schmale Gasse ein, in der ein Kastenwagen parkte. Er schob das Motorrad in den Laderaum, schwang sich auf den Fahrersitz und fuhr los. In einer Garage, die er gut zwanzig Kilometer von seinem Wohnsitz entfernt gemietet hatte, ließ er Auto und Motorrad stehen, fuhr mit seinem Prius nach Hause und zog sich in der Garage um, ehe er das Haus betrat, die verschmutzte Kleidung in die Waschmaschine stopfte und diese einschaltete.
Ein paar Minuten später schlich er ins Obergeschoss, um nach Mandy und den Kindern zu sehen. Alle schliefen, auch Mandy; das Buch, das sie gelesen hatte, war ihr auf die Brust gesunken. Er klappte es zu, legte es beiseite und knipste ihre Nachttischlampe aus, ehe er ins Bett schlüpfte. Er strich Carter Gray im Geiste von seiner Liste und beschäftigte sich mit dem nächsten Namen.
Finn betrachtete seine Hände. Trotz der Handschuhe hatte er sie sich versengt, als er die Flammen am Körper des brennenden Bodyguards gelöscht hatte. Finn hatte sich die Hände in der Küche mit Eis gekühlt und dann mit Salbe eingerieben, ehe er nach oben gegangen war. »Tu so was kein zweites Mal, Harry«, raunte er. Trotz seines Flüsterns bewegte seine Frau sich im Schlaf und stöhnte leise. Er streckte die Hand aus und streichelte ihr übers Haar. Seine gerötete Hand und Mandys schöne blonde Haare: Dieser seltsame Kontrast erweckte in Finn plötzlich das Verlangen, so schnell davonzulaufen, wie er nur konnte – wozu er niemals imstande gewesen wäre. Vor seiner hübschen Frau und ihren drei wunderbaren Kindern weglaufen? Das schmucke Haus und
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