Camel Club 03 - Die Spieler
für eine Sekunde – gerade lange genug, dass er auf eine der Kufen springen konnte. Während der Helikopter abflog, überschüttete ihn aus dem Dschungel ein Geschosshagel, abgefeuert von einem ganzen Bataillon wütender Nordvietnamesen, die ihm dicht auf den Fersen gewesen waren. Dieser erfolgreich abgeschlossene Auftrag hatte die Aufmerksamkeit der CIA erregt, und Stone war in die »ehrenwerte Liga« regierungsamtlicher Killer befördert worden, die man Abteilung 666 nannte.
Die Abteilung 666 war eine kleine Sondereinheit, von deren Existenz selbst in der Agency kaum jemand wusste. Wahrscheinlich schliefen die nicht eingeweihten Mitarbeiter besser als die informierten. Allerdings hatte jedes »zivilisierte« Land der Erde eine Killertruppe, die Aufträge ausführte, um nationale Interessen zu wahren, also hatte sicherlich auch Amerika das Anrecht auf eine solche Einheit. So lautete jedenfalls die Parole.
Stone richtete die Aufmerksamkeit auf ein anderes Stück Papier, auf dem mehrere Namen standen und an das er ein Foto geheftet hatte. Die Fotografierten waren: Stone selbst, Bob Cole, Lou Cincetti, Roger Simpson, Judd Bingham und Carter Gray. Stone kannte ausschließlich dieses eine Foto, auf dem man die sechs Männer zusammen sehen konnte. Und es war nur zustande gekommen, weil die Männer nach Bewältigung eines besonders heiklen Auftrags gemeinsam einen saufen gegangen waren, kaum dass das Flugzeug amerikanischen Heimatboden berührt hatte. Während Stone sein noch fast faltenfreies Gesicht betrachtete, die selbstbewusste Miene eines Killers, der noch nichts von den persönlichen Bürden und Verlusten ahnte, die ihm bevorstanden, verspürte er Beklemmung in der Brust.
Verkniffen verweilte sein Blick auf dem Abbild des hochgewachsenen, eleganten Mannes, der Roger Simpson einst gewesen war; im Außeneinsatz hatte Simpson sich nie betätigt, vielmehr hatte er – so wie Carter Gray – die Aktivitäten Stones und der anderen Männer aus vergleichsweise sicherer Entfernung orchestriert. Später war er in die Politik gegangen. Doch sein Ehrgeiz – eine positive Eigenschaft, solange er jung war – verwandelte ihn im Laufe dreier Jahrzehnte in einen eifernden Ränkeschmied, der nie eine abfällige Bemerkung vergaß, wie belanglos sie auch sein mochte. Nicht damit zufrieden, einer von hundert Senatoren zu sein, lechzte er nach der Präsidentenwürde und leistete fleißige Vorarbeit, um dieses Ziel zu erringen. Wenn die Amtszeit des derzeitigen Präsidenten ablief, standen Simpsons Chancen ausgezeichnet, neuer Chef im Weißen Haus zu werden. Seine Frau, eine ehemalige Miss Alabama, verlieh ihm einen Hauch von Glamour, der dem ein wenig steifen Simpson sonst gefehlt hätte. Man schwatzte ebenso diskret wie anonym darüber, dass Mrs. Simpson anderen Männern nicht abgeneigt sei. Doch allem Anschein nach wollte sie so gern zur First Lady aufsteigen, dass sie trotz alledem an einem Strang mit Simpson zog.
Stone hatte Simpson immer für einen willensschwachen, egoistischen Mistkerl gehalten. Dass ein solcher Mann dazu in der Lage sein könnte, binnen weniger Jahre das höchste Amt des Landes an sich zu reißen, bestätigte nur Stones schlechte Meinung über amerikanische Politiker.
Er packte die Andenken zurück in die Dose, legte sie in das Erdloch und stellte den Grabstein wieder aufrecht an seinen Platz. Während er darauf wartete, dass möglicherweise jemand kam und ihn tötete, konzentrierte er sich auf das Anliegen, Annabelle Conroys Überleben zu gewährleisten, obwohl sie seine Hilfe abgewiesen hatte.
Stone hatte seine Tochter verloren. Er wollte nicht auch noch Annabelle verlieren.
KAPITEL 20
Am Abend um 20 Uhr traf der Camel Club sich in Stones Friedhofsgärtnerhäuschen. Wie üblich hatte Milton sein Notebook dabei und hämmerte in die Tasten, während Caleb nervös in einem Korbsessel saß. Reuben lehnte lässig an der Wand.
Stone erzählte ihnen von Annabelles Dilemma und fügte hinzu, dass sie abgereist sei.
»Verdammter Mist«, schimpfte Reuben. »Und wir waren nicht mal zu einem Drink aus.«
»Wahrscheinlich war es Bagger, der drüben in Portugal diese Leute ermordet und ihren Kumpan halbtot geprügelt hat«, erklärte Stone. »Annabelle braucht unsere Hilfe, hat aber Angst, uns damit zu großer Gefahr auszusetzen.«
Caleb rückte die Schultern zurecht. »Offenbar weiß sie nicht, dass unser Club unfehlbar die Gefahr sucht .«
Stone räusperte sich. »Also gut, Leute. Meine erste Idee war,
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