Camel Club 03 - Die Spieler
Geschichten aus Fleisch und Blut. Eindeutig auch im Fall Ray Solomon. Gray hatte von dem Befehl, Solomon zu liquidieren, nichts geahnt. Sonst hätte er die Ausführung verhindert. In all den Jahren hatte er den Tod seines Freundes stets bedauert. Doch Bedauern blieb ein ziemlich wohlfeiles Gefühl. Der eine fühlte sich mies, der andere aber war tot.
Gray legte die Akte zurück in den Tresor und verschloss ihn. Es gab zahlreiche einflussreiche Leute, die wünschten, dass man den Fall Ray Solomon nie mehr aufwühlte. Diese Leute würden alle Mittel und Wege aufbieten, um die Person aufzuspüren, die Gray zu töten versucht hatte, ehe sie nochmals zuschlug. Und Gray stand jetzt gänzlich auf ihrer Seite. Sein Freund war seit Jahrzehnten nicht mehr am Leben. Es konnte nichts Gutes dabei herauskommen, in alten Sachen zu stochern.
Und er war so fair gewesen, John Carr zu warnen. Weitere Hilfe durfte der Mann nicht von ihm erwarten. Falls er starb, war er eben tot.
KAPITEL 27
Als man Jerry Bagger durch Washington chauffierte, fuhr der Wagen am Justizministerium vorbei. Bei diesem Anblick nutzte er augenblicklich die Gelegenheit, dem gesamten Rechtsstaat den Stinkefinger zu zeigen.
»Na, wenn das nicht die passende Örtlichkeit für einen Atomschlag ist. Und vielleicht könnte man das FBI gleich mit wegputzen. Staatsanwälte und Bullen … wer braucht schon solche Typen? Ich nicht.« Er blickte einen seiner Gorillas an. »Du, Mike?«
»Nein, Sir, Mr. Bagger.«
»Das ist die richtige Einstellung.«
Nach der Ankunft im D. C. hatte Bagger einen noch detaillierteren Bericht der Detektei erhalten; aus diesem Grund stieg er nun aus dem Auto und ging in eine Bibliothek. Nicht irgendeine Bibliothek – für viele belesene Zeitgenossen war es die Bibliothek: die Kongressbibliothek.
Baggers Begleiter stellten an der Auskunft ein paar Fragen, und zwei Minuten später stapften der Boss und sein Anhang in den Lesesaal der Raritätenabteilung, als deren Abteilungsleiter der verblichene Jonathan DeHaven, Annabelles Ex-Gatte, gearbeitet hatte. Dort war jetzt ein gewisser Caleb Shaw tätig, Jonathans Nachfolger. Als Bagger eintrat, kam Caleb ihm entgegen.
Man musste Caleb zugutehalten, dass er sich nicht übergab, als er Bagger anhand des Internetkonterfeis, das Milton ihm gezeigt hatte, auf den ersten Blick erkannte, obwohl das Aufgurgeln seines Magens die Gefahr des Erbrechens unüberhörbar anzeigte. Stattdessen blieb er stehen, und ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Dabei konnte er sich gar nicht vorstellen, warum er lächelte. Entsetzt fragte er sich, ob dies eine Vorstufe auf dem Weg zum ewig grinsenden Idioten war. Er musste etwas tun, und zwar schnell.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er, indem er die Gruppe klotziger junger Männer in dunklen Anzügen abfing, in deren Mitte sich der sehr fit wirkende, sechsundsechzigjährige, breitschultrige, weißhaarige und schwer sonnenbankgebräunte Jerry Bagger bewegte. Seine Nase war gebrochen, und auf einer Wange hatte er eine grässliche Narbe.
Er sieht wie ein Pirat aus, ging es Caleb durch den Kopf.
»Ich hoffe es«, antwortete Bagger freundlich. »Ist das hier das Kuriositätenkabinett?« Er äugte umher.
»Der Lesesaal der Raritätenabteilung.«
»Wie selten sind denn die Bücher, die Sie aufbewahren?«
»Sehr selten. Und es handelt sich nicht nur um Bücher, wir verwahren auch alte Handschriften, Inkunabeln, Flugschriften, eine Gutenberg-Bibel, ein Exemplar der Unabhängigkeitserklärung, Jeffersons Hausbibliothek und zahlreiche andere bedeutende Werke. Manche gibt es auf der Welt nur einmal. Buchstäblich eins von einem.«
»Ach«, meinte Bagger, offenkundig wenig beeindruckt. »Also, ich hab was noch viel Selteneres.«
»Tatsächlich?«, fragte Caleb. »Was denn?«
»Das Buch, das ich lese«, sagte Bagger. »Es ist die Version Null-Punkt-Null.« Er lachte, und seine Männer fielen ein. Höflichkeitshalber kicherte auch Caleb, obwohl er sich unauffällig mit der Faust an eine Stuhllehne klammerte, um wenigstens ein bisschen Halt zu haben.
Bagger schlang einen Arm um Calebs Schultern. »Sie kommen mir vor wie jemand, der mir helfen kann. Wie heißen Sie?«
Verzweifelt versuchte Caleb, schleunigst einen falschen Namen zu erfinden, doch ihm kam nur sein wahrer Name über die Lippen. »Caleb Shaw.«
»Caleb? Wow, das hört man nicht alle Tage. Sind Sie Amischer, oder so was?«
»Nein, Republikaner«, gab Caleb kleinlaut zur Antwort, während
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