Camel Club 03 - Die Spieler
Baggers muskulöser Arm ihn noch fester einzwängte. Ist das der Arm, der schon Menschen getötet hat?
»Na schön, Mr. Republikaner, können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? Ich meine, das ist ja ein Riesenbau. Es muss doch irgendein Eckchen geben, wo wir ganz unter uns plaudern können.«
So etwas hatte Caleb schon befürchtet. Im Lesesaal waren zumindest potenzielle Zeugen zugegen, die mit ansehen konnten, wie dieser Gangster ihn in Stücke hackte.
»Ich … äh, derzeit bin ich sehr beschäftigt.« Sofort drückte Baggers Arm noch fester zu. »Aber ein paar Minütchen kann ich wohl für Sie erübrigen.«
Caleb führte die Besucher in den Flur, der sich vor dem Lesesaal hinzog, und in ein kleines Büro.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Bagger im Befehlston zu Caleb, der sich augenblicklich auf den einzigen Stuhl des Zimmers setzte. »Also, mir ist zu Ohren gekommen, dass der Vogel, der hier früher das Sagen hatte, abgeschossen wurde.«
»Falls Sie den Leiter der Abteilung Raritäten und Spezielle Sammlungen meinen … der ist umgebracht worden, das stimmt.«
»Jonathan DeHaven?«
»So ist es«, bestätigte Caleb mit leiser Stimme. »Es war ein Mordanschlag. Gleich hier bei uns im Haus.«
»Au, Mann«, sagte Bagger und blickte in die Gesichter seiner Gorillas. »In einer beschissenen Bibliothek gibt das arme Schwein den Löffel ab. Geht es denn auf der Welt derart gewalttätig zu, oder was?« Er wandte sich erneut an Caleb. »Es ist so, ich hab da eine Freundin, die diesen DeHaven kannte. Eine Zeitlang war sie sogar mal mit ihm verheiratet.«
»Wirklich? Ich wusste gar nicht, dass Jonathan verheiratet war.« Caleb schaffte es, diese Lüge ziemlich glaubwürdig auszusprechen.
»Doch, war er. Allerdings nur kurz. Ich meine, er war ja ein Bücherwurm … nichts für ungut. Und diese Frau, na ja, sie war schon immer von völlig anderem Schlag. Gewissermaßen war sie … wie soll ich sagen …?«
»Ein Wirbelwind?«, plapperte Caleb.
Bagger heftete einen argwöhnischen Blick auf ihn. »Ja. Wie kommen Sie darauf?«
Caleb begriff, dass er gefährlich dicht davorstand, Bagger einen Grund zu geben, ihn zwecks Abpressung weiterer Informationen zu foltern. »Ich war auch mal verheiratet«, redete er sich elegant heraus. »Meine damalige Frau hat mich schon nach vier Monaten verlassen. Sie war auch ein Wirbelwind. Und ich bin, wie Sie es nennen, ein Bücherwurm.« Er musste selbst staunen, wie glatt er diese Lügen an den Mann schwatzte.
»Genau, genau, jetzt verstehen wir uns. Jedenfalls, ich hab die Kleine lange nicht gesehen, deshalb wollte ich mal wieder Verbindung mit ihr aufnehmen. Und da ist mir eingefallen, sie könnte vom Tod ihres Ex gehört haben und zum Begräbnis erschienen sein.« Bagger musterte Caleb mit erwartungsvoller Miene.
»Tja, ich war auf der Bestattung, aber da war niemand Unbekanntes. Wie sieht diese Frau denn aus, und wie heißt sie?«
»Groß, scharfe Kurven, ein echter Hingucker. Kleine Narbe unter dem rechten Auge. Haarfarbe und Frisur hängen vom Wochentag ab – verstehen Sie, was ich meine? Ihr Name lautet Annabelle Conroy, aber das ist ebenfalls vom Wochentag abhängig.«
»Hm, das sagt mir nichts.« Das traf allerdings nur für den Namen zu, denn Caleb kannte Annabelle unter dem Namen Susan Hunter, doch die äußere Beschreibung ließ keine Verwechslung zu. »So eine Frau wäre mir aufgefallen. Die meisten Trauergäste waren völlig durchschnittlich aussehende Leute. Ganz wie ich, wissen Sie.«
»Ja, klar«, brummte Bagger. Er schnippte mit den Fingern. Einer der Gorillas zückte eine Visitenkarte. Bagger reichte sie Caleb. »Wenn Ihnen was Hilfreiches einfällt, rufen Sie mich an. Ich zahle gut. Sehr gut. Fünfstellig.«
Aus großen Augen betrachtete Caleb das Visitenkärtchen. »Sie wollen die Frau offenbar sehr dringend finden.«
»Oh ja, Mr. Republikaner. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie dringend.«
KAPITEL 28
Leise betrat Harry Finn das Zimmer, setzte sich in den Sessel und sah die Frau an. Sie erwiderte seinen Blick – oder schaute sie durch ihn hindurch? Da blieb er sich stets unsicher. Früher hatte sie fließend Englisch gesprochen, ohne jeden Akzent. Dann hatte sie als vielsprachige Person irgendwann vier Sprachen zu einem Kauderwelsch vermengt, vielleicht aus wachsender Paranoia, und sich auf einen verwirrenden Mischmasch chaotischer Kommunikation verlegt. Finn wusste selbst nicht genau, wie er das anstellte, aber es gelang ihm, sie zu
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