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Camel Club 03 - Die Spieler

Titel: Camel Club 03 - Die Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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Ich verspreche es dir. Sehr bald wird alles besser.« Ich bin fast am Ziel.
    »Ja, sicher, Harry. Natürlich.«

KAPITEL 46

    Annabelle hatte noch nie Gelegenheit gehabt, das Grab ihrer Mutter zu besuchen. Heute Abend wollte sie es nachholen.
    Sie parkte den Leihwagen, durchquerte das Friedhofstor und schritt die in der Abenddämmerung düsteren Wege entlang. Die Lage des Grabes hatte sich in ihrem Herzen eingebrannt. Als es in Sichtweite kam, sah sie, dass die Tote schon einen Besucher hatte. Annabelle duckte sich hinter Immergrün und beobachtete den Mann.
    Er hatte sich neben dem Grab der Länge nach auf die Erde gelegt. Annabelle lauschte und konnte Wortfetzen hören: Die lang ausgestreckte Gestalt sang der Toten ein irisches Lied. Annabelle kannte dieses Lied. Dieser Mann hatte es ihrer Mutter des Öfteren vorgesungen, als sie, Annabelle, ein kleines Mädchen gewesen war. In dem Lied ging es um Träume und ein wunderschönes grünes Land, in dem ein Mann und eine Frau lebten, die einander innig liebten. Als Annabelle zuhörte, rannen ihr wider Willen Tränen über die Wangen. Dann wurde der Gesang leiser und verklang. Sie erkannte, dass ihr Vater am Grab seiner Frau, ihrer Mutter, fest eingeschlafen war.
    Annabelle trat aus der Deckung der Sträucher, ging leise zu der Grabstätte und kniete an einer Seite nieder; auf der anderen Seite lag ihr Vater und schnarchte. Da tat Annabelle etwas, das sie nicht mehr getan hatte, seit sie als Kind zur Kirche gegangen war: Sie bekreuzigte sich und betete für ihre Mutter. Wieder liefen ihr Tränen übers Gesicht, während sie zu Gott sprach und auch mit ihrer Mutter zu reden versuchte und ihr gestand, wie sehr sie ihr fehlte, wie sehnsüchtig sie sich wünschte, sie wäre noch am Leben.
    Sie betete und fasste ihre Gefühle in Worte, bis ihr schier das Herz brach. Dann stand sie auf, schlug nochmals das Kreuzzeichen, betrachtete den Schlafenden und fällte einen Entschluss.
    Sie packte ihn unter den Armen und stellte ihn auf die Beine; er war erschreckend leicht. Halb wurde er wach, doch musste sie ihn mehr oder weniger zum Auto tragen. Sie schob ihn hinein, fuhr zur Pension und legte ihn in ihrem Schlafzimmer ins Bett. Anschließend setzte sie sich im Nebenzimmer aufs Sofa.
    Irgendwann hörte sie ein Pochen an der Tür.
    Es war Stone. Er wirkte besorgt. Nachdem er ihr von Miltons und Reubens Erlebnissen erzählt hatte, richtete er den Blick auf die Tür des Schlafzimmers, aus dem nun lautes Schnarchen drang. Er enthielt sich jeder Bemerkung, da Annabelles Miene unmissverständlich zu entnehmen war, dass ihr nicht der Sinn danach stand, Fragen zu beantworten.
    »Möchten Sie morgen nach Hause zurück?«, erkundigte er sich stattdessen.
    »Ich habe kein Zuhause«, antwortete Annabelle. »Aber wir können morgen zurück zu Ihrem Haus fahren.«
    Am nächsten Morgen ließ Annabelle sich das Frühstück aufs Zimmer bringen. Als ihr Vater das Bett verließ, standen Rührei mit Schinken und heißer Kaffee bereit.
    »Du siehst aus, als könntest du was zu essen vertragen«, sagte Annabelle.
    Paddy schaute sich um. »Herrje, wie bin ich denn hierhergekommen?«
    »Du warst gestern Abend am Grab. Ich auch.«
    Er nickte bedächtig und strich sich mit der Hand das zerzauste Haar glatt. »Verstehe.«
    »Na los, iss was.«
    »Du musst das nicht tun, Annie.«
    »Ich weiß. Iss.«
    Er setzte sich. Es gelang ihm tatsächlich, ein paar Bissen zu verzehren und ein paar Schluck Kaffee zu trinken.
    »Wie ernst ist es?«, fragte Annabelle und forschte in seinem grauen, eingefallenen Gesicht.
    »Ziemlich ernst. Ein Jahr mit Behandlung, sechs Monate ohne. Aber wer will schon dauernd krank herumkriechen?«
    »Brauchst du irgendwas? Geld? Eine Wohnung?«
    Er lehnte sich zurück und wischte sich mit der Serviette den Mund. »Du schuldest mir nichts, Annie. Und ich möchte auch nichts von dir nehmen.«
    »Es gibt keinen Grund, dass du Schmerzen leidest oder in einem Truck schläfst. Ich habe Geld.«
    »Gegen die Schmerzen hilft Whiskey, und die alte Möhre ist gewissermaßen mein Hospiz. Es geht mir gut.«
    »Ganz offensichtlich nicht.«
    Paddy zog ein finsteres Gesicht und rückte vom Tisch ab. »Ich möchte kein Mitleid, verstehst du, Annie? Mit deinem Hass komme ich viel besser zurecht.«
    »Hast du mich deshalb nie gesucht, um mir zu sagen, dass du im Knast warst, als Bagger Mom umgebracht hat?«
    »Hätte das denn irgendwas geändert?«
    »Wahrscheinlich nicht«, gestand Annabelle.
    »Siehst du?

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