Camorrista
diese beiden Schmarren.«
Bevor ich richtig verstehe, was er meint, starre ich wie gebannt auf den Namen, den ich im Ausweis lese.
»Giovanni Russo.«
Manchmal kann auch die Tüchtigkeit der Kollegen beunruhigend sein.
Auf der Rückfahrt zieht Cocíss die Kapuze seines Fleece-Shirts runter und schaut nach draußen, als ob Florenz ihn plötzlich interessieren würde. Er setzt sich dauernd anders hin, drückt sogar die Knie gegen die Sitzlehne, aber ich nehme es hin, um Streit zu vermeiden. Die Stille im Auto ist wie die heute Morgen im Wald. Eine zeitweilige Einstellung der Aktivitäten, die fürs bloße Überleben nicht unbedingt notwendig sind. Wir fahren an einer Kreuzung falsch und geraten in eine enge Straße, überall nur Schuhgeschäfte, Osterien mit Korbstühlen, eine Zone mit eingeschränktem Verkehr, kameraüberwacht.
»Weißt du was? Das ist mir scheißegal«, lautet Moranos Kommentar.
Ab und zu besehe ich mir im Rückspiegel Salvo, der den kleinen Bastard mustert, als wäre er ein Skorpion, der unter einem Topf hervorgekrabbelt ist. Als ich ein melodiöses Pfeifen höre, kommt es mir komisch vor, dass der Kollege gepfiffen haben soll.
Und tatsächlich. Es war Cocíss (was bedeutet das, fasst er Vertrauen?).
Aus einer Flut von Japanern mit kleinen Sonnenschirmen ist niemand anderes als D’Intrò aufgetaucht. Er überquert vor uns die Straße, nicht mehr als fünf oder sechs Meter entfernt. Er ist in Begleitung einer blonden jungen Frau, größer als er, perfekter Po in engen Jeans, die locker auf ihren Hüften sitzen. Wenn man unbedingt eine Schwachstelle ausmachen wollte, wäre es die, dass ihre Taille kaum schmaler ist als die Hüften. Über dem Nabel zusammengeknotete rote
Bluse, weiße Pantoletten mit hohen, dünnen Absätzen. (Da muss man ja hinterhergucken.)
»Scheiße, was hast du denn zu pfeifen?«, knurrt Morano.
Cocíss lacht in sich hinein. Verglichen mit heute Morgen ist er nicht mehr derselbe. Mit diesem Lachen gibt er meinen Kollegen zu verstehen, dass sie von so einer Frau nur träumen können. Mit einem Blick rate ich Morano, nicht den harten Kerl zu spielen.
»Kriegt man hier mal’ne Zigarette?«, fragt Cocíss, doch Fragen ist nicht seine Stärke. Er hat eine träge Stimme, kehlig, unangenehm, als kratzte man über Glas.
Morano zieht die Schachtel aus seiner Hemdtasche, sieht nach, wie viele noch drin sind, und wirft sie ihm zu, als würde er sie fortwerfen. Cocíss lässt sie auf seiner Brust landen, die Sache gefällt ihm nicht. Salvo legt ihm eine Hand auf die Schulter und gibt ihm ein Zeichen, ruhig zu bleiben.
»Das Feuerzeug ist drin«, brummt Morano. »Das will ich zurück.«
Ich begleite ihn, als er Moranos letzte Zigarette im Garten mit dem Mandelbaum und der Bougainvillea raucht. Wir haben einen langen Sonnenuntergang, rosa wie denaturierter Alkohol, ohne den kleinsten Windhauch. Die Schwalben kreisen über unseren Köpfen, und Cocíss macht nichts, als stoßweise die Nase hochzuziehen.
Ich setze mich auf ein paar Marmorplatten, die wohl von einem alten Friedhof stammen. Er geht hin und her. Das Feuerzeug hat er natürlich doch behalten.
»Und wie heißt du?«, fragt er mich, sieht aber dabei die Wand an.
»Das habe ich dir schon gesagt.«
Er zuckt mit den Schultern. Das heißt: Er zeigt mir ein absolutes Minimum an Freundlichkeit, und wenn ich meinen Namen nicht nennen will, ist ihm das so was von egal.
»Rosa«, sage ich.
Er sieht immer noch die Wand an.
»Schöner Name«, sagt er und nickt ein paarmal, als müsste er mich überzeugen, dass er es wirklich ernst meint. »Und wie heißt der Scheißdreckskerl , der gefahren ist, wie heißt der?«
Ich ziehe seinen neuen Ausweis heraus.
»Das geht dich nichts an. Sieh mal, hier steht, wie du von jetzt an heißt.«
Er dreht sich um, macht aber nicht mal im Ansatz Anstalten, als wollte er näher kommen, um den Ausweis zu nehmen. Er lässt mich mit ausgestrecktem Arm stehen, als wäre ich bescheuert. Schließlich reißt er mir den Ausweis aus der Hand, steckt ihn sich in die Tasche und bläst den Rauch in den Himmel.
»Sag mir, wie ich heiße.«
»Das steht da drauf.«
»Man kann hier nichts mehr sehen.«
»Nimm doch mal die Sonnenbrille ab.«
»Sagst du es mir jetzt oder nicht?«, lässt er nicht locker.
(Was will der denn? Ich hab schon genug Ärger gehabt seinetwegen.)
»Ein anderer Ton! Aber sofort.«
Er zieht heftig an der Zigarette, gestikuliert, als könnte ihm das beim Nachdenken
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