Camorrista
er sich kein bisschen. Als der durch den Propeller erzeugte Sturm vorbei ist, versinkt der Wald in einer schrecklichen Stille. Die Tiere im Umkreis von ein paar hundert Metern um uns herum sind geflüchtet.
Als wir wieder ins Auto steigen, behauptet Morano, ein Reh gesehen zu haben, und fragt Salvo, ob er je auf die Jagd gegangen sei. Ich ahne, dass dies eines der Themen ist, die geeignet sind, einen Monolog auszulösen, doch das kümmert den Kollegen nicht. Tatsächlich beginnt er zu erzählen, dass sie sich während seiner Mission in Somalia ab und zu eine Safari genehmigt haben. Morano hat eine Vergangenheit bei einer Eingreiftruppe, auf die er sehr stolz ist. Mir ist allerdings nicht klar, warum er dann sofort die Chance wahrgenommen
hat, als Inspektor zur Polizei zu gehen. Ich habe mich immer gehütet, ihn danach zu fragen.
Wir holen den kleinen Bastard um Viertel nach sechs wieder ab, in einer Garage im Zentrum von Florenz, die offiziell wegen Bauarbeiten geschlossen ist. Wir schwitzen alle, auch der Asphalt und die Häuser schwitzen, und zum Glück steigen wir im Untergeschoss aus.
Auf der Parkfläche stehen zwei Wagen. Ein schwarz gekleideter Typ, kahlköpfig und korpulent, kommt uns entgegen. Seine Pistolentasche ist nicht zu übersehen. Morano lehnt sich hinaus, um sich auszuweisen, und der Typ deutet mit dem Kopf auf eine Sicherheitstür.
Als der Motor nicht mehr läuft, hören wir gerade noch ein bisschen Geschrei. Ich steige zuerst aus, während die Sicherheitstür geöffnet wird. Reja trägt ein dunkles T-Shirt, auf dem weiße, trockene Schweißflecken zu sehen sind. Die Venen an seinem Hals sind bis zum Platzen angeschwollen. Er muss viel Selbstkontrolle aufbieten, um uns guten Abend zu sagen.
»Alles in Ordnung, Kollege?«, fragt ihn Morano. Er verarscht ihn absichtlich. Aber Reja ist zu wütend, um es zu bemerken.
»Fünf Minuten, und ihr könnt wieder los. Rosa, komm, wir brauchen dich mal kurz.«
Mir gefällt sein Ton nicht.
Noch weniger gefällt mir der kleine Raum mit Eisenbetonwänden, wo er mich bittet, Platz zu nehmen. An der Wand steht ein alter Schreibtisch, und darüber hängt ein blaustichiges Poster von Santa Maria Novella.
Er trägt ein zerknittertes Hemd, Hosen in einem undefinierbaren Grau, weder klassisch noch sportlich. Doch der Mann, der sofort nach mir eintritt, ist Hauptkommissar Paolo D’Intrò. Der Mythos. Mit einem grauen Bartschatten, die Augen blutunterlaufen, wie einer, der eine Wut, die erst wenige Sekunden alt ist, noch verarbeiten muss.
Aus irgendeinem Grund hat unsere Ankunft einen Streit zwischen ihm und Reja unterbrochen.
»Ich habe gehört, unser Mann hat gestern ein paar Probleme gehabt.«
Reja stellt sich an die Tür und betrachtet still den Fußboden. Ich falle aus allen Wolken, fasse jedoch zusammen, was geschehen ist. Bei jedem Wort beobachte ich D’Intròs Augenbrauen.
»Und wenn er den ganzen Tag geschlafen hätte? Er hat es ganz offensichtlich gebraucht.«
Ich vermeide jeglichen Einwand.
»Es bestand keine Eile. Heute hat er alles unterzeichnet, was er unterzeichnen musste, Sovrintendente Reja hat die komplette Akte, doch jetzt müssen wir ihn in das Therapiezentrum integrieren. Und das ist einer, der sich höchstens in eine Herde Hyänen integriert. Jetzt haben wir ein Problem mehr.«
Ich möchte sagen, dass es ein Problem weniger sein könnte, wenn wir die Tarndokumente hätten, doch offensichtlich kann D’Intrò meine Gedanken lesen. Er gibt mir eine kleine Plastikmappe. Darin befinden sich ein Personalausweis und eine Krankenversicherungskarte.
»Diesmal haben wir uns darum gekümmert. Von jetzt an wird Ihnen unser Mann weniger Probleme bereiten. Es gibt Regeln und es gibt Prioritäten, die man verstehen muss. Unverzüglich. Hier darf man keinen Fehler machen.«
(Ich werde nie mehr einen Fehler machen.) Er verabschiedet sich mit einem strengen Blick und geht durch die Tür. Bevor Reja ihm folgt, schüttelt er den Kopf und zieht bedauernd die Augenbrauen hoch.
Ich betrachte den Plastikausweis mit dem Magnetstreifen. Die Nummer ist sicher falsch oder gehört einer »verstorbenen Person«. Ihn damit in ein Krankenhaus einweisen zu lassen ist auch kein Spaziergang, wenn man nicht zuerst mit dem Kollegen der Polizeistation redet. Auf dem winzigen Foto sieht Cocíss so aus, als würde er mehr oder weniger immer noch schlafen. Man erkennt nicht mal seine Narben.
»Gute Arbeit, nicht? Jetzt entfernen wir sie auch noch vom Original,
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