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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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bevor sie noch konfuser wird. Er teilt mir mit, dass Cocíss schon drauf und dran ist, einen Backenzahn und einen Schneidezahn zu verlieren, und er mir deshalb noch ein Mundwasser aufschreibt. Dann fragt er mich nach dem Namen des Patienten, um das Formular zu vervollständigen.
    »Giovanni Russo«, sage ich einfach.
    »Alter?«
    »Vor einem Monat achtzehn geworden.«
    Schließlich sieht er doch für einen Moment vom Formular hoch, als wollte er mich fragen, ob ich wirklich sicher bin.
     
    Mittags ruft mich Reja an.
    Er sagt nicht mal guten Tag, fängt sofort an, über einen Posten des Zivilschutzes zu sprechen, der wenige Kilometer vom Futa-Pass entfernt liegt.
    »Und?«
    »Ihr müsst morgen früh um acht mit unserem Mann da sein. Es gibt dort ein altes Bahnwärterhaus und gleich dahinter einen Landeplatz. Ein Hubschrauber der Finanzpolizei holt ihn ab.«
    Ich frage Reja nicht nach den Gründen für die Verlegung, betone nur noch einmal, dass der Junge sich schlecht gefühlt hat und ich nicht glaube, dass er irgendeiner Anforderung gewachsen ist, jedenfalls nicht morgen. Reja fragt mich nicht mal, was mit ihm passiert sei.
    »Es wird nicht anstrengend für ihn. Die Rückkehr ist am selben Tag.«
    Er muss morgen einen Richter sehen. Oder gar D’Intrò selbst. Bevor Reja auflegt, schaffe ich es gerade noch, ihn an das Problem mit den Dokumenten zu erinnern.

    Wecker um halb fünf und Frühstück runtergeschlungen. Ich sehe scheiße aus, müsste mir die Haare waschen, aber es ist keine Zeit, also binde ich sie fest zusammen, und los geht’s.
    Das wird ein bekackter Tag, denke ich, als ich das Tor der Toten aufschließe. Doch der erstaunliche junge Mann ist schon wach, steht im Halbdunkel seines Zimmers am Fenster und raucht. Als ich ihm mitteile, dass er mit mir kommen soll, setzt er sich die Sonnenbrille auf, steckt die Schachtel Zigaretten in die Tasche und folgt mir, ohne ein Wort zu sagen.
    Wir lassen ihn auf den Rücksitz klettern, zusammen mit Salvo, einem jungen Kollegen, der vor Kurzem aus den Abruzzen hierher versetzt worden ist. Er ist in Ordnung, spricht wenig, aber wenn, dann sehr schnell, sodass ich ihn selten beim ersten Mal verstehe.
    Morano hat beschlossen zu fahren, und ich habe darum gebeten, nicht hinten bei unserem dringlichen Sonderschutzmaßnahmen unterstellten Begleiter sitzen zu müssen. Er schläft seit fast vierundzwanzig Stunden in denselben Kleidern und riecht wirklich nicht frisch. Selbst Moranos Acryl-T-Shirts haben im Vergleich dazu ein erträgliches Aroma.
    Unser Mann schläft fast augenblicklich ein. Auf der Schnellstraße haben wir es mit wenigen Lastwagen und viel Nebel zu tun. Als wir dann die Staatsstraße hochfahren, beginnt der Capozona zu stöhnen und den Kopf im Schlaf hin und her zu bewegen. Morano beobachtet ihn im Rückspiegel und sagt zu Salvo, er soll das Fenster aufmachen und achtgeben.
    »Wenn du merkst, dass er kotzen muss, halte sofort seinen Kopf aus dem Fenster.«
    Mir fällt meine erste Festnahme bei meiner dritten Fahrt mit dem Überfallkommando ein. Ein Typ hatte versucht, einen alten Mann, einen Tabakwarenhändler, auszurauben. Unbewaffnet und zugedröhnt, wie er war, hatte er es nur geschafft, Regale umzuwerfen und bei dem Ladenbesitzer einen
Herzanfall auszulösen. Kaum hatten wir ihn im Auto, kotzte er sich auch noch die Seele aus dem Leib, und ich verstand, warum die Rücksitze im Einsatzwagen nicht gepolstert, sondern aus glattem Plastik sind. Ein paarmal sprühen, ein Desinfektionsmittel, und alles war weg.
    Nach zwanzig Minuten Kurvenfahren habe ich das Bedürfnis, zur Toilette zu gehen, aber ich will die Kollegen nicht um eine Pause bitten. Die aufgehende Sonne sieht aus wie ein in einem Glas Milch versunkenes Lämpchen. Morano hat im Autoradio einen Sender eingestellt, der ausschließlich italienische Musik spielt und bei mir den Wunsch aufkommen lässt, freiwillig ins Exil zu gehen.
     
    Auch bei der Ankunft ist unser Schutzbefohlener gefügig und folgt, ohne Geschichten zu machen. Kapuze und Sonnenbrille, ich bezweifle, dass er begreift, wer wir sind und was um ihn herum geschieht. (Und wenn ich mich bei der Dosis Benzodiazepin geirrt habe? Aber nein, zweimal am Tag eine halbe Tablette, da bin ich mir sicher.) Er kann sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Salvo und ich müssen ihm beim Aussteigen aus dem Auto helfen. Morano entfernt sich von uns und beobachtet begeistert die Ankunft des Hubschraubers. Für die folgenden Operationen interessiert

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