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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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fischt. Die Marke da, erklärt er, auch wenn ich sie an irgendeinem Stand auf dem Markt für ein paar Euro finde, ist das okay, weil sie praktisch genauso wie das Original sind, die Qualität ist immer klasse. Fünf Paar schwarze, mit grauem Gummiband, Größe fünf.
    Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Ich bin zu sehr darauf konzentriert, Ruhe zu bewahren. Dieser Typ redet mit mir wie mit einer Bediensteten. Er macht das absichtlich, aber auch mit einer entwaffnenden Naivität. Er weiß, dass ich mich um seine Bedürfnisse kümmern muss, jedenfalls für den Moment. Er ist ein Räuber, aber absolut kein primitiver.
    Er ist bei den Socken angekommen: Er trägt nur »die, die man nicht sieht« und wechselt sie zweimal am Tag. Wenigstens fünfzehn Paar braucht er. Er sagt, ich solle nicht auf die Schrift achten, sondern die Marke mit den zwei kleinen Dreiecken suchen, die gebe es an fast allen chinesischen Ständen. Zum Schluss: Kraftspülung, Honigshampoo und Rasierschaum mit Aloe Vera.

    »Da ist die Pflanze drauf gezeichnet, sieht so aus wie Marihuana.«
    »Ich kann lesen«, bemerke ich.
    »Ah, du gehörst zu den Bullen, die studiert haben?«
    (Um für ein Arschloch wie dich einzukaufen, braucht man bestimmt keinen Uniabschluss.)
    »Und als Handy will ich das schwarze flache mit doppeltem Display. Hast du kapiert, ja?«
    Ich bin damit fertig, mir Notizen zu machen, und sehe ihn an. Warte vergebens darauf, dass auch er mich ansieht, also lege ich Stift und Blatt hin. Vor einem Augenblick noch war ich sauwütend, jetzt bin ich demoralisiert. Ich zähle bis zehn, schaue einen Moment lang die Wand an, dann beginne ich.
    »Erstens: Fernsehen und Playstation gibt es unten im Erdgeschoss.«
    »Die gehören aber nicht mir.«
    »Die gehören allen. Also auch dir.«
    »Das sind immer andere Leute. Und es gibt nur drei Scheißprogramme. Und außerdem spielen da die Drogis, die Marokkaner und die Nutten«, sagt er entrüstet.
    »Und?«
    »Und ich will mir keine Krankheiten holen, wenn ich die gleichen Sachen anfasse. Ich will meine eigenen Sachen haben, hier, in meinem Zimmer.«
    Ich tue so, als hätte ich das nicht gehört, und mache einfach weiter im Programm. Wie er das ja auch tut.
    »Zweitens: Erklär mir mal, wen du anrufen musst.«
    Er nimmt seine Sonnenbrille ab und fixiert mich. Er versteht nicht. Die Augen blutunterlaufen wie bei einem, der gerade aus einem Sandsturm kommt. Ich glaube, er hat so was wie eine Bindehautentzündung.
    »Kann ich jetzt nicht mal ein Handy haben?«
    »Sag mir, wen du anrufen musst, und ich finde eine Lösung für dich.«
    »Meine Angelegenheit, in Ordnung?«

    »Aber nein, nicht in Ordnung. Deine Angelegenheiten gibt es nicht mehr.«
    »Also, ich hatte fünf früher, verstanden? Fünf! Und jetzt nicht mal mehr eins?«
    »In einem Monat kannst du dir meinetwegen zehn kaufen. Aber im Moment sagst du mir , wen du anrufen willst und warum. Wenn du telefonierst, kann man dich aufspüren. Du hast doch das Blatt gelesen, das du unterschrieben hast, oder nicht?«
    Er schnauft, kratzt sich im Nacken und sieht aus dem Fenster (was heißt: einen Scheiß hab ich getan).
    »Also gut, dann telefoniere ich eben nicht. Bring mir eins ohne Karte. Aber das Modell, das ich dir gesagt habe.«
    »Und wozu brauchst du es dann?«
    »Du nervst. Alle haben eins, sogar im Gefängnis, und auch in diesem Scheißdreckszentrum haben alle eins.«
    »Ein anderer Ton!«
    (Meine Arbeit ist, ihn zu schützen. Meine Arbeit ist, ihn zu schützen. Ihn zu schützen.)
    »Selbst die schwarzen Nutten, Scheiße, und ich darf keins haben?«
    »Antwortest du mir oder nicht?« (Noch schlimmer: Ich muss ihm beibringen, sich selbst zu schützen.) »Mit wem musst du sprechen? Antwortest du mir nicht? Dann stelle ich dir eine andere Frage«, fange ich wieder von vorne an, weil das, was ich gestern gesagt habe, offensichtlich zu komplex war.
    »Ah, Fragen … Sie haben mir zehntausend gestellt. Dabei läuft die ganze Sache doch sowieso scheiße. Und das musst du dem sagen, der dir die Befehle gibt, dass ich nicht zufrieden bin. Du schreibst den Bericht, oder? Dann schreib, dass nichts gut läuft.«
    Ich verstehe nicht, worauf er sich bezieht, doch ich beschließe augenblicklich, dass seine Meinung von unserer Arbeit mich nicht interessiert.
    »Ich stelle dir nur eine Frage, Cocíss«, sage ich und spreche
seinen Beinamen zum ersten Mal aus, während ich aufstehe, die Daumen in den Taschen der Jeans. Er streicht sich die Haare aus der

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