Camp Concentration
Sinn erfüllen zu können - alle diese fundamentalen menschlichen Erfahrungen, ja selbst die Hoffnung, sie später doch noch machen zu dürfen, sind ihnen verwehrt. Wie Meade gestern voller Bedauern sagte: »Die vielen Mädchen dort oben, die mir nicht nachweinen werden! Ein Jammer!« Ihre Genialität mag sie für manches entschädigen, aber sie vertieft die Kluft zwischen ihnen und der großen Masse. Selbst wenn sie geheilt würden und das Lager Archimedes verlassen dürften, würden sie sich in der Welt da droben nicht mehr zu Hause fühlen. Hier, in der Unterwelt, haben sie gelernt, die Sonne zu sehen; dort, in der Welt des Lichts, blicken die Menschen noch immer auf die Schatten an den Höhlenwänden.
Später
Der zweite Akt ist fertig.
Mordecai hatte heute einen noch heftigeren Anfall. Möglicherweise muß das Magnum Opus (oder, wie Murray S. respektvoll sagt, der große Coup) verschoben werden.
20. Juni
Mordecai fühlt sich wieder wohl, und der Termin wird eingehalten. Ich bin jetzt nicht mehr fähig, von Lappalien zu berichten. Nur noch das große Warten.
Später
Dritter Akt halb fertig. Das Stück ist phantastisch!
21. Juni
Es ist phantastisch, und ich hab’s geschafft! Natürlich ist noch viel zu korrigieren, aber es ist geschafft! Ich danke ...
Wem? Augustinus schreibt in seinen Bekenntnissen (I. 1): »Es kann geschehen, daß der um Erhörung Flehende einen ganz anderen heraufbeschwört als jenen, den er rief - und er selbst ist sich dessen nicht einmal bewußt.« In der Kunst besteht diese Gefahr ebenso wie in der Magie. Nun denn, wenn dem Teufel Dank für Auschwitz gebührt, sei hiermit erklärt, daß ich ihm danke und ihm gebe, was des Teufels ist.
Ich schreibe dies am späten Nachmittag. Da mir vor dem Abendessen noch etwas Zeit bleibt, möchte ich jetzt schon ein paar Vorbemerkungen zu dem machen, was mich - falls der Abend auch nur halb so ereignisreich wird wie erwartet - später mit enormer Schreibarbeit belasten wird.
Als ich die letzten Worte von Auschwitz niedergeschrieben hatte, war ich wie betäubt. Ich konnte die kahlen Wände nicht mehr ertragen, die schrecklichere Assoziationen auslösten als beispielsweise die Kleckstafeln beim Rorschachtest (denn auf diese Wände hatte ich alle Bilder meiner traurigen Komödie projiziert). So schleppte ich mich hinaus in das unterirdische Labyrinth und gelangte bald zu seinem geheimen Mittelpunkt, beziehungsweise zu seinem Minotaurus: Haast. In Erwartung der phantastischen Ereignisse ebenfalls erregt, forderte er mich auf, ihn in das vier Stockwerke tiefer gelegene Gewölbe zu begleiten, das kürzlich der Schauplatz von Doktor Faustus gewesen war und wo heute abend das große Geheimnis feierlich enthüllt werden sollte.
»Aufgeregt?« Es klang wie eine Frage, war aber eine Feststellung.
»Sie etwa nicht?« fragte ich zurück.
»In der Armee gewöhnt man sich an Aufregungen. Und außerdem bin ich mir völlig sicher über den Ausgang ...« Er lächelte bemüht und winkte mich zum Fahrstuhl.
»Nein, wirklich aufregend wird die Sache erst, wenn gewisse Offiziere in gewissen Büros im Pentagon erfahren, was mir gelungen ist. Namen zu nennen ist unnötig. Jeder weiß, daß eine kleine, aber mächtige Clique in Washington seit zwanzig Jahren Millionen und Abermillionen von Steuergeldern für Weltraumabenteuer vergeudet. Und dabei ist der innere Raum noch gar nicht erforscht.«
Da ich auf diesen Köder nicht anbiß, fuhr er fort: »Sicher wollen Sie wissen, was ich damit meine - der innere Raum .«
»Es klingt sehr ... Es regt zum Nachdenken an.«
»Es stammt von mir selbst und bezieht sich auf das, was ich Ihnen bei unserem Gespräch über den materialistischen Charakter der modernen Naturwissenschaft gesagt habe. Sehen Sie, die Naturwissenschaft läßt nur materielle Fakten gelten. Die Natur jedoch hat stets zwei Seiten, eine materielle und eine spirituelle, genau wie jedes menschliche Wesen einen Körper und eine Seele hat. Der Körper ist ein Produkt der dunklen, verschatteten Erde und daher für die Alchimie ein Produkt, das ›albiniert‹ werden muß. Mit anderen Worten: das so hell werden muß wie ein nacktes, strahlendes Schwert.« Dabei fuchtelte er mit den Händen, als haschte er nach dem Griff dieses Schwertes.
»Und da dem materialistisch orientierten Wissenschaftler diese fundamentale Erkenntnis fehlt, gilt sein ganzes Interesse dem Weltraum. Der Alchimist dagegen, der sich stets der Bedeutung des Zusammenwirkens von Körper
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