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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch
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seine staksigen Beine und seine eckigen Bewegungen. Er erinnerte an die jammervollen Zwerge des Velázquez. Das prachtvolle Kostüm ließ seine Figur nur noch grotesker erscheinen. Aber zweifellos war diese Wirkung beabsichtigt. Ein stolzer Mensch trägt seine Häßlichkeit zur Schau, als sei er mit Schönheit gesegnet.
    Haast eilte auf diesen verunglückten Hamlet zu und faßte ihn beinahe zärtlich bei der Hand.
    »Das ist ein historisches Ereignis, mein Junge.« Seine Stimme war rauh vor Rührung und Wichtigtuerei.
    Mordecai nickte und zog die Hand zurück. Seine Augen verrieten eine innere Spannung, deren Intensität selbst bei diesem ständig in Spannung lebenden Menschen überraschen mußte. Ich dachte an van der Goes ›qualvolle Augen‹ im Porträt des P. : »Nach Licht dürstend, wandte er das Gesicht immer wieder der Sonne zu.«
    Würdevoll, begleitet von zwei Statisten, die seine schimmernde Schleppe trugen, stieg der Bischof vor Haast die vier Stufen zur Bühne hinauf. Mordecai stand noch unten im Mittelgang und betrachtete die Zuschauer. Als sich unsere Blicke trafen, huschte ein belustigtes Lächeln über sein Gesicht. Er kam herüber, beugte sich zu mir und flüsterte.

    »Zum Zaubern fehlt mir jetzt die Kunst;
    Kein Geist, der mein Gebot erkennt;
    Verzweiflung ist mein Lebensend,
    Wenn nicht Gebet mir Hilfe bringt ...«

    Er richtete sich auf, verschränkte die Arme über der fleckigen Samtjacke und fragte selbstgefällig: »Wissen Sie, wer das sagt? Offenbar nicht - aber Sie sollten es wissen.«
    »Wer?«
    Er ging auf die Stufen zu, stellte sich auf die erste und sagte zu mir gewandt:

    »So brech ich meinen Stab,
    Begrab ihn manche Klafter in die Erde ...«

    Ich unterbrach ihn und sprach Prosperos Abschiedsworte an die Zauberkunst zu Ende:

    »Und tiefer als ein Senkblei je geforscht,
    Will ich mein Buch ertränken.«

    »Aber nicht sofort «, sagte Mordecai mit einem Augenzwinkern.
    Haast, der am Lesepult auf Mordecai wartete und einige beschriebene Blätter in der Hand hielt, rief uns ungeduldig zu: »Was habt ihr zwei denn noch zu schwatzen? Dies ist nicht der Augenblick dafür! Wir sollten uns jetzt von allen anderen Gedanken frei machen und uns ganz auf das bevorstehende geistige Erlebnis konzentrieren. Sie scheinen nicht zu begreifen, daß wir an einer entscheidenden Schwelle stehen!«
    »Doch, das weiß ich sehr wohl!« Mordecai nahm unsicher drei Stufen auf einmal, stakste eilig quer über die Bühne und setzte sich unter eine der medusenähnlichen Trockenhauben. Sofort begann Sandemann, ihm die Drähte mit Isolierband an der Stirn zu befestigen.
    »Ich bin wirklich ein Esel«, sagte Mordecai. »Fangen Sie an!«
    Haast lachte vergnügt. »Das wollte ich damit bestimmt nicht sagen. Aber trotzdem ...« Er wandte sich an sein spärliches Publikum: »Meine Damen und Herren, bevor wir beginnen, möchte ich einige Bemerkungen machen. Über das große Ereignis, das uns bevorsteht.« Dann begann er von seinem Manuskript abzulesen.
    Dr. Busk flüsterte mir ins Ohr: »Wetten, daß der alte Jugendanbeter eine halbe Stunde quatschen wird? Er hat Angst vor dem Experiment. Er fürchtet sich vor seiner blöden ›Schwelle‹.«
    Er übertraf ihre Schätzung um fünfzehn Minuten. Obwohl ich auf die Faktizität dieser Aufzeichnungen stolz bin, möchte ich Haasts Rede nur ganz kurz zusammenfassen. Zuerst erklärte er, daß ihn seine Rolle als Wohltäter der Menschheit zutiefst befriedigte. Dann skizzierte er Leben und Verdienste früherer Menschheitsbeglücker; er sprach von Christus, Alexander dem Großen, Henry Ford und dem ›bedeutenden modernen Astrologen‹ Carl Jung. Dann schilderte er eindrucksvoll Elend und Schrecken des Alterns und ließ sich darüber aus, wie schädlich es für die Gesellschaft sei, daß sie durch kurzsichtige Pensionierungsvorschriften und durch den Tod ständig ihrer erfahrensten und nützlichsten Mitglieder beraubt werde. Er verriet das Rezept, wie man seine Seele ewig jung erhalten könne (»Seien Sie vorurteilslos und aufgeschlossen für neue Ideen«), bekannte aber, daß seine Jahre der Reife überschattet gewesen seien von dem verzweifelten und vergeblichen Versuch, eine Möglichkeit zu entdecken, wie man auch dem Körper ewige Jugend verleihen könnte. In den vergangenen Monaten jedoch sei es ihm in Zusammenarbeit mit seinen jungen Kollegen (ein knappes Nicken in Mordecais Richtung) gelungen, ein Geheimnis zu lüften, das vor Jahrhunderten nur wenige Auserwählte kannten,

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