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Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition)

Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition)

Titel: Camping-Daggys letzter Kunde ROTE LATERNE ROMAN Band Nr. 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Thomsen
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abgewetzten Bademantel, der ihre Leibesfülle nicht ganz verbergen konnte. Mühsam und etwas verkrampft hielt sie das knöpf- und gürtellose Kleidungsstück zusammen.
    »Wie - was?«
    »Ich meine, ich wollte nicht, dass du mich so sehen musst. So alt und so hässlich!«
    Daggy war einen Moment tief erschüttert und gerührt zugleich. Spontan trat sie auf ihre Freundin zu.
    »Du bist nicht mehr jung, meine Liebe«, sagte sie tröstend und lächelnd. »Aber du bist auch nicht alt und hässlich. Deine Schönheit sieht nur der, der dein Herz kennt. Und ich kenne dein Herz. Jetzt aber los und ab ins Badezimmer! Es muss keiner von unserem kleinen Geheimnis erfahren!«
    Yvonne lächelte. Ihr Gesicht strahlte Zufriedenheit und Glückseligkeit aus, wie Daggy sie nie vorher gesehen hatte. In diesem Augenblick war diese Frau wirklich schön. Das Leuchten ihrer Augen verwischte die Spuren des wildbewegten Lebens, die Falten des Lachens und auch die des Leides.
    Daraufhin verschwand sie rasch im Badezimmer. Daggy blickte eine Weile wehmütig lächelnd auf die Tür.
    »C'est la vie!« murmelte das Mädchen und ging nach unten. Liebevoll bereitete sie in der verräucherten Küche das Frühstück zu und deckte den hochbeinigen Tisch besonders nett für drei Personen. Juliette, die zarte Schneeflocke durfte nicht vergessen werden.
    Daggy stellte das Radio an. Fröhliche, südfranzösische Musettewalzer klangen auf. Kurze Zeit später kam Yvonne herunter. Sie war zurechtgemacht wie immer. Und deshalb besaß sie nun auch wieder ihre alte Sicherheit. Wenig später erschien Juliette am gedeckten Tisch. Sie trug ein schwarzes Seidenkleid, das sie noch zierlicher und zerbrechlicher erscheinen ließ. Im Licht des aufblühenden Morgens sah man, wie schön dieses Mädchen war. Das schmale gebräunte Gesicht mit der geraden, fast römischen Nase, die hochstehenden Wangenknochen, die dem Gesicht einen slawischen Reiz verliehen. Und dann der schwere schwarze Nackenknoten, der so tief angesetzt war, dass er den zerbrechlichen, kostbaren Eindruck nur noch unterstreichen konnte. Ja, und nicht zuletzt diese großen, alles beherrschenden Augen in tiefem, warmem Braun, in dem sich die Melancholie eines verregneten Sommertages verbarg. Heute sah es aus, als hätten diese schönen Augen geweint.
    Doch Juliette schwieg. Sie setzte sich an den Tisch, nahm das Frühstück und stand dann wieder auf, um zu gehen.
    »Juliette?«
        »Ja, Daggy?«
    »Warum bist du so traurig?«
    »Traurig?« Das zarte Mädchen lächelte wehmütig. »Ich bin nicht traurig, Daggy. Ich bin nur enttäuscht.«
    »Enttäuscht?«,
    »Ja, dass das Leben so spielt. Louis musste sterben, und Jeanne sitzt im Gefängnis.«
    »Jeanne wird bald wieder bei uns sein, Juliette«, mischte Yvonne sich ein.
    »Nein, nein, das ist es nicht«, entgegnete das zerbrechliche Wesen leise. »Ich meine - warum die Welt so ist. So voller Grausamkeit und Niedrigkeit. Warum können die Menschen nicht in Frieden leben und einander lieben ...«
    »Nun mach mal einen Punkt!«, donnerte Madame los.
    »Nein, lass sie, Yvonne«, warf Daggy nachdenklich und beschwichtigend ein. »Sie hat recht. Es war zuviel für sie ...«
    Juliette ging schweigend hinaus. Daggy hatte noch sehen können, dass Juliette wieder weinte.
    »Schick sie fort«, riet Daggy spontan.
    »Was? Bist du nicht recht bei Trost? Sie ist die einzige, die ich noch habe!«
    »Aber sie ist - verdammt noch mal -nicht für deinen Puff gemacht, Yvonne!«, rief Daggy unbeherrscht. »Siehst du denn nicht, wie sie jeden Tag ein bisschen mehr zerbricht. Willst du schuld daran sein, wenn sie ihr Leben eines Tages wie ein unbrauchbar gewordenes Spielzeug einfach wegwirft?«
    Yvonne atmete schwer. Sie stand auf, lehnte sich gegen den Küchenschrank, und man konnte deutlich erkennen, dass sie mit sich kämpfte. Langsam kam sie auf Daggy zu.
    »Wir zerbrechen alle in diesem Leben«, sagte sie ungewöhnlich hart. »Und wir zerbrechen nicht auf ein einziges Mal, sondern mit jedem Tag ein Stückchen. Ich, du, Juliette, Luzie und alle Mädchen dieser Welt, die der Liebe auf diese Weise dienen. Wir sind so wie wir sind. Manche bewundern uns. Von anderen werden wir verachtet. Aber ändern? Non, Cherie, ändern können wir nichts!«
    Diese sehr ernst gesprochenen Worte versetzten Daggy zunächst in tiefe Traurigkeit und dann in fast panische Angst. Daggy dachte daran, wie jung sie noch war. Sie fürchtete sich davor, eines Tages so zu werden wie Yvonne. Sie hatte

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