Canale Mortale (German Edition)
Parkinson, das habe ich dir ja erzählt. Aber er sagt,
er liebt mich. Er könne die Nacht mit mir nicht vergessen.«
Antonia schüttelte verständnislos den Kopf. »Und was ist mit deinem
Professor? Marconi scheint sich auch für dich zu interessieren. Es sah aus, als
könntest du ihn um den Finger wickeln.«
»Marconi ist mein Doktorvater«, sagte Jana fast empört. »Er schätzt
meine Arbeit als Kunsthistorikerin! Und ich liebe Guido«, setzte sie fast
trotzig hinzu.
Dann orderte sie die Rechnung. Keine von beiden aß noch etwas, und
der Kellner fragte bedauernd, ob es den Signorine nicht geschmeckt habe. Jana
hatte ihre Pasta nicht angerührt, und Antonia ließ ihr Gericht zur Hälfte abräumen.
Nach diesem misslungenen Abendessen trennten sich ihre Wege. Jana hatte vor, zu
Hause noch für die Universität zu arbeiten, Antonia wollte sich mit einem
Besuch im »Già Schiavi« trösten.
Schon beim Eintreten sah sie Luca in der hinteren Ecke stehen. Er
räumte eine Kiste mit Weinflaschen in die Regale. Seine beiden Brüder machten
den Ausschank, Luca sprach angeregt mit einem Mädchen aus dem Viertel, das
immer wieder dramatisch seine dunkle Mähne nach hinten warf, während es lebhaft
gestikulierend auf ihn einredete. Er hatte heute keinen Blick für sie. Antonia
trank rasch ihr Glas Weißwein aus und verließ den Schankraum. Sie war froh,
wieder draußen zu sein, und bahnte sich einen Weg durch die Gäste, die wie
jeden Abend fröhlich plaudernd vor der Tür standen. Ihre Stimmung hatte sich
durch den Besuch der Bar nicht verbessert. Der kleine Flirt mit Luca hatte sie
bisher immer aufgemuntert. Es war, als fehle ihr jetzt etwas. Vielleicht würde
ein längerer Spaziergang die ersehnte Ruhe bringen. Sie wollte zum Markusplatz
gehen und dann nach Hause zurückkehren, um Florian den neuesten Stand der Dinge
zu berichten.
Ein paar hundert Meter vom »Già Schiavi« entfernt gab es eine
Trattoria, deren Fenster auf die Fondamenta gingen. Als Antonia dort vorbeikam,
bemerkte sie plötzlich Florian, der an einem der hinteren Tische des
Restaurants saß. Er war in Begleitung einer Frau, die sich, als sie näher ans
Fenster trat, als Octavia herausstellte.
Antonia trat noch näher heran und prallte erschrocken zurück, als
sie sah, wie Florian in diesem Moment sanft Octavias Arm streichelte. Octavia
hielt den Kopf gesenkt, als ob sie weine. Verstört ging Antonia weiter. Sie
überquerte die kleine Brücke, die zum Campo San Barnaba führte, und bog rasch
wieder nach links ab, um zum Palazzo zurückzukommen. Die Lust auf einen
Abendspaziergang war ihr vergangen. Was hatte das zu bedeuten? Seit wann war
Florian Octavias Vertrauter, und weshalb streichelte er ihren Arm? Ihre
Stimmung sank auf den Nullpunkt, als sie auf dem Küchentisch des Apartments
eine Notiz von Florian vorfand.
»Hatte bis eben Probe. Bin noch einmal weg.
Dringend! Sehe dich später hier!«
Antonia setzte sich im Wohnzimmer vor den Fernsehapparat. Es lief
eine italienische Spielshow, in der ein alter Mann bestimmte Kartons öffnen
ließ, um zu sehen, ob Geld darin war oder nicht. Das Programm deprimierte sie
noch mehr, und sie schaltete um auf einen amerikanischen Serienkrimi in
italienischer Synchronisation. Nach einer Weile ging die Tür, und Florian
betrat das Wohnzimmer. Antonia sah stumm vor sich auf den Bildschirm und grüßte
kaum. Florian ließ sich neben sie auf das Sofa fallen.
»Puh, dieser Aufenthalt hier artet mehr und mehr in Sozialarbeit
aus.«
Antonia antwortete nicht.
»Octavia steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Sie hat dich
nicht erreicht und stattdessen mich angerufen. Ich hatte noch Probe. Aber weil
sie am Telefon so geheult hat, bin ich mit ihr in eine Trattoria gegangen.
Antonia, was ist? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Was ist denn passiert?«
Antonia tat so, als sei sie in Gedanken gewesen. In Wirklichkeit war
sie enorm erleichtert, dass Florian Octavia nur helfen wollte. Für zwei bange
Stunden hatte sie fast geglaubt, sie habe den Freund an die ältere Frau
verloren. Florian erzählte, dass unter den vielen verspäteten
Beileidsbezeugungen für den Conte auch ein weiterer Drohbrief gewesen sei,
unterzeichnet von den »7 M « und mit nur
einem einzigen Wort versehen.
»› DIEBE ‹ stand in Großbuchstaben auf
dem weißen Blatt. Octavia weiß sich nicht mehr zu helfen. Sie hat Angst um ihre
Familie und will jetzt doch die Polizei einschalten. Offenbar scheuen diese
Leute ja weder vor Leichenschändung
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