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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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Guarcino hinzu, und es wurde ein allgemeines Handgemenge.
    »Halt!«, schrien die Wirte: »Halt, die Polizei kommt«, das heißt die Carabinieri.
    »Halt einen Scheißdreck«, schrien die aus Velletri, und auch sie gingen mit Fäusten auf die Unseren los.
    Onkel Adelchi – der mit den Fäusten nie so gut gewesen war wie Onkel Pericle, und immer wenn einer es abbekam, war er das – scherte sich nicht um die Prügel, die von allen Seiten auf ihn einprasselten, und dachte auch gar nicht daran, sie zu erwidern, außer höflichkeitshalber mit ein paar kleinen Hieben oder Püffen. Der einzige Gedanke, den er während dieses ganzen Ansturms im Sinn hatte, war: »Das Fahrrad! Nicht dass mir einer in diesem ganzen Durcheinander noch das Rad klaut.« Und langsam arbeitete er sich dahin vor, die Meute der Angreifer rückte, auf ihn einprügelnd, langsam nach.
    Sobald er jedoch dort ankam und die Stange seines Fahrrads zu fassen kriegte, da – und das erzählten meine Onkel noch jahrelang – brach der Löwe von Juda in ihm los. Er sah aus wie Samson mit der Eselskinnbacke, wie Achill unter den Mauern von Troja in der Raserei seines Zorns –, und er wirbelte das Fahrrad um sich herum wie ein himmlisches Schwert, er richtete unter den Gegnern ein Massaker an und schreckte sie noch mehr mit seinen gellenden Schreien: »Ich und ein Dieb? Ich und ein Landdieb? Bleib mir doch weg, du Marokkaner, Mokassiner, Makkaronifresser, dass Gott euch alle verfluchen möge, alle miteinander!«
    Und die wichen zurück. Das hätten Sie sehen sollen, wie die zurückwichen. Hiebe teilte Onkel Adelchi aus mit dem Fahrrad an jenem Tag – oder besser, in jener Nacht –, dass er es mit dem Durendal in der Hand auch nicht besser gekonnt hätte. So dass Onkel Pericle – als er ihn von weitem sah, während er selbst nach allen Seiten gebührend Tritte, Hiebe und Messerstiche austeilte – sich sagte: »Da schau, der Adelchi.« Und er verspürte eine Regung im Herzen genau wie damals, als Adelchi auf den Verwalter der Zorzi Vila hatte schießen wollen – »Ich bring dich um! Wo bist du, ich bring dich um!« –, eine Regung tiefer Liebe zu diesem Bruder: »Er ist eben doch ein Peruzzi, er ist auch mein Bruder, der da!« Und als er irgendwann sein Messer verlor und nur mit den Fäusten gegen diese ganze Meute ankommen musste, machte er es dem Bruder nach, riss eine halbe Planke aus einem Tisch und begann sie herumzuwirbeln, so glich er seinen Nachteil aus.
    »Polizei, Polizei!«, schrie irgendwann einer der Wirte, und man sah, wie zwei Carabinieri und einige Schwarzhemden der Miliz herbeigelaufen kamen.
    Auf der Stelle legte sich der Tumult. Meine Onkel taten so, als wäre nichts gewesen, versuchten nur, sich mit ihren Fahrrädern aus dem Staub zu machen. Onkel Adelchi keuchte. Ab und zu brüllte er noch ein »Du Marokkaner«, das Fahrrad auf Hüfthöhe.
    »Sei still, du Rindvieh«, sagte Onkel Iseo lachend zu ihm. »Willst du uns ins Gefängnis bringen?«, zog ihn weg und sorgte dafür, dass er die Reifen des Fahrrads endlich auf den Boden stellte.
    Einer von denen aus Sezze sagte – schon im Weggehen – so leise zu Onkel Pericle, dass die Carabinieri es nicht hören konnten: »Wir sehen uns wieder.«
    »Allzeit bereit«, antwortete ganz leise, aber deutlich mein Onkel. »Firmato Peruzzi, Podere 517, Canale Mussolini. Stehe zur Verfügung.«
    Ein schönes Spiel jedenfalls und nur geringe Schäden. Gerade mal ein paar Kratzer. Oberflächliche Messerstiche. »Verflucht«, sagte seine Frau dann, während sie sich liebten, zu Onkel Pericle, der bei jeder Berührung oder Liebkosung zusammenzuckte: »Rühr mich da nicht an, rühr mich dort nicht an, das tut mir weh.«
    »Verfluchter Raufbold«, sagte sie da und grub ihm die Nägel noch tiefer in den Rücken. Später vor dem Einschlafen, als sie sich besänftigt hatte: »Und ich darf morgen den Mantel flicken«, den Großteil der Messerstiche hatte nämlich der Mantel abbekommen. Aber auch die, die Onkel Pericle austeilte, mussten dort hängengeblieben sein, ohne schlimmere Verletzungen für die Marokkaner.
    Wie bitte, was sagen Sie? Warum sie uns Cispadanier nannten, und vor allem, warum der Fascio den trockengelegten Boden uns gab, wozu er uns aus Norditalien kommen lassen musste, während die hier doch schon vor Ort waren? Sie finden, das sei eine Ungerechtigkeit? Sie sagen, der Grund dafür sei vielleicht, dass sie hier in der Gegend nicht faschistisch genug waren?
    Nein, das stimmt nicht. Sie waren

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