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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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auch mühte, es drangen nur unverständliche Würgelaute aus seinem Mund. Horst hielt sein Ohr an Alberts Gesicht, um zu hören, was er sagen wollte. Ein Zucken lief durch Alberts geschundenen Körper. Dann sackte er leblos zusammen. Albert Hoffmann, Legionär 2. Klasse der Fremdenlegion in Fernost, war tot.
    Horst Muler kniete am Boden, den Kopf seines toten Freundes in seinen Händen. Wenige Augenblicke später glich das Restaurant einem Tollhaus. Bewaffnete Fremdenlegionäre, Militärpolizisten der französischen Armee, gefolgt von Ärzten und Sanitätern stürmten in das Lokal und übernahmen das Kommando. Erst wurden die Verletzten versorgt und abtransportiert. Der Lieutenant-Colonel instruierte den Kommandanten der Militärpolizei über die Geschehnisse. Die anwesenden Personen wurden als Zeugen befragt. Dann wurden die Toten abtransportiert. Ich gab Auskunft über meine Personalien und übergab die Waffen. Dann wurde ich hinausgeführt und in einen Jeep verfrachtet. Bevor wir losfuhren, sah ich noch, wie sich Horst Muler teilnahmslos zu einem anderen Jeep bringen ließ. Wir fuhren in die nächstgelegene Kaserne. Dort wurde ich peinlich genau über die Vorgänge im Lokal befragt. Wahrheitsgemäß schilderte ich die Ereignisse. Da meine Angaben mit den anderen Zeugenaussagen übereinstimmten, wurde ich ungefähr drei Stunden später nach Arnaultville gebracht. Es war 4.50 Uhr in der Früh, als ich in meiner Kaserne eintraf. Der Camerone-Tag 1951 hatte einen völlig anderen Verlauf genommen, als ich geplant hatte.

Hoc Mon, Samstag, 2. Juni 1951, 11.00 Uhr
    Am Exerzierplatz in Arnaultville entfaltete die Mittagssonne ihre volle Kraft. Über 30 Grad im Schatten, dazu das feuchttropische Klima, machten uns schwer zu schaffen. Das erste Bataillon der 13ème Demi-Brigade de Légion Étrangère war vollständig angetreten. Wir hatten hohen Besuch. Der französische Kriegsheld und neue Hochkommissar und Oberbefehlshaber in Indochina, General Jean de Lattre de Tassigny, hatte uns seine Aufwartung gemacht. Legenden rankten sich um diesen charismatischen Führer, und als er im Vorjahr den Oberbefehl übernommen hatte, ging ein regelrechter Ruck durch die Truppen in Indochina. Mit stolzgeschwellter Brust standen wir in der Hitze und freuten uns, diesen Mann persönlich zu Gesicht zu bekommen.
    General de Lattre schritt die Formationen ab. In seinem Tagesbefehl lobte er den Mut und die Tapferkeit unserer Brigade. Danach standen Ordensverleihungen und Auszeichnungen an. Lieutenant Langlet wurde für seine Leistungen bei der Operation Revanche zum Chevalier de la Légion d´Honneur ernannt. Ich war ebenfalls für eine Auszeichnung vorgesehen. Niemals werde ich den Augenblick vergessen, als General de Lattre mir die Hand schüttelte und mir das Croix de Guerre des Théatres d´Operations Extérieurs in Silber an die Brust heftete. Außerdem wurde ich zum Caporal-Chef, dem höchsten Mannschaftsgrad, befördert.
    Die Zeremonie erinnerte stark an den Ablauf am Camerone-Tag, mit dem Unterschied, dass keine Zivilisten anwesend waren. Nach unserem Abmarsch gab es zu Ehren des hohen Besuchs ein besonderes Festmahl. Eine weitere Parallele zum Camerone-Tag.
    Unwillkürlich musste ich an die Ereignisse vor einem Monat denken. Was für ein verrückter, ja tragischer Tag. Albert Hoffmann war elend verblutet. Horst Muler wurde verhaftet, gegen ihn wurde ein Kriegsgerichtsverfahren eingeleitet. Das Gericht tagte schnell. Vor knapp einer Woche war die Verhandlung gewesen. Ich musste als einer der Hauptzeugen aussagen. Horst war nicht anwesend. Das Kriegsgericht tagte zwei volle Tage und verkündete dann das Urteil. Horst Muler wurde zu zwei Jahren Strafbataillon verurteilt. Als mildernde Umstände für das Massaker wurde die berechtigte Erregung nach dem heimtückischen Mordanschlag auf einen Kameraden gewertet. Das schwer verwundete Mädchen war auf dem Weg ins Hospital ihren Verletzungen erlegen. Der Tod der Attentäterin wurde nicht in die Anklage aufgenommen. Horst Muler wurde für vierfachen Totschlag im Affekt verurteilt.
    Ich hörte, dass Horst unmittelbar nach dem Urteilsspruch auf eine kleine Insel, die Saigon vorgelagert war, gebracht wurde. Das Strafbataillon war nach Berichten von Legionären, die schon dort gewesen waren, kein Honigschlecken. Kärgliches Essen, härteste Arbeit, meist im Straßenbau, und lebensgefährliche Einsätze wie Minenentschärfung bildeten den tristen Alltag. Viele Verurteilte verloren ihr Leben oder

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