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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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Machete auf und schob mir beide Waffen in den Gürtel. Mittlerweile hatten sich einige Mädchen wieder auf die Galerie gewagt. Sie kreischten erschrocken bei dem Anblick des Schlachtfeldes. Auf dem Boden lagen Mädchenkörper. Eine junge Frau kroch wimmernd über den Boden. Eine Kugel hatte sie in den Oberschenkel getroffen. Ich wies die verängstigten Mädchen an, ihren Kolleginnen zu helfen. Zögernd näherten sie sich der Frau, die sich über den Boden schleppte. Ich ging von Opfer zu Opfer, um zu sehen, ob ich noch helfen konnte. Die erste Frau war tot. Horst hatte sie von vorn in die Brust getroffen. Ich eilte zur nächsten. Sie lebte noch, aber sie hatte einen Schuss in die Lunge abbekommen. Ich rief zwei Mädchen zu mir und erklärte ihnen, dass sie einen Druckverband anlegen sollten. Viel Hoffnung hatte ich nicht, dass sie die Verletzung überleben würde. Das dritte Mädchen war ebenfalls tot. Sie lag auf dem Bauch, der Kopf in einer Blutlache. Horst hatte dem flüchtenden Mädchen in den Hinterkopf geschossen. Das nächste Opfer lag ebenfalls tot am Boden, auf dem Bauch, mit einer hässlichen Wunde am Rücken. Die Kugel hatte sie mitten ins Herz getroffen. Ich drehte sie um und erschrak. Ich blickte in die leblosen Augen der langbeinigen Schönheit, die mich eine Stunde zuvor liebevoll verwöhnt hatte. Ein Stück weiter saß ein Mädchen weinend an die Wand gelehnt. Sie hatte einen Schuss in den Oberarm abbekommen. Zwei Helferinnen knieten bei ihr und versorgten die Wunde. Ein paar Meter weiter wurden noch zwei Mädchen versorgt. Eine hatte einen Streifschuss an der Hüfte, die andere einen Steckschuss in der Wade. Ich gab ein paar Anweisungen und eilte dann zur Schwerverletzten zurück. Der Druckverband war so weit in Ordnung. Das Mädchen befand sich jedoch in einem kritischen Zustand. Aus ihrem Mund floss Blut, sie war nicht bei Bewusstsein. Sie röchelte stark, ein weiteres Zeichen für eine böse Lungenverletzung. Ich sah mich nochmals um. Die Galerie glich einem Schlachthof. Überall tote und verwundete Mädchen. Die Verletzten wimmerten, stöhnten, die anderen weinten. Und überall war Blut. Blut in rauen Mengen.
    Ich konnte hier nichts mehr tun und entschied, nach Albert zu sehen. Während ich die Stufen hinunterging, wunderte ich mich ein wenig über mich selbst. Normalerweise warnte mich mein besonderes Gefühl vor jeglicher Gefahr, diesmal hatte ich keine Vorahnung gehabt.
    Am Treppenaufgang bat ich die Umstehenden höflich, aber bestimmt, mir Platz zu machen. Der Anblick war herzzerreißend. Albert lag blutüberströmt auf dem Boden, die Beine angewinkelt, beide Hände gegen den stark blutenden Genitalbereich gepresst. Die Helfer hatten ihn in Seitenlage gebracht und die klaffende Wunde am Rücken notdürftig versorgt. Albert konnte nicht mehr schreien. Er wiegte seinen Körper hin und her. Der Schmerz ließ ihm die Halsadern anschwellen. Mit vor Anstrengung zusammengekniffenem Gesicht wollte er seine Qual hinausschreien, doch seine Stimme hatte längst versagt. Nur grausig gepresste Würgelaute entfuhren seiner Kehle. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Horst an. Horst Muler kniete bei Albert. Er hatte beide Arme um den Nacken des Verletzten geschlungen und wiegte Alberts Kopf im Einklang mit dessen Schmerz. Er stierte seinen verwundeten Freund mit roten Augen an. Tränen liefen über sein verzweifeltes Gesicht. Er hatte vermutlich jedes Gefühl für Raum und Zeit verloren.
    „Albert, lieber Albert“, wiederholte Horst immer wieder tränenerstickt. Zwei Kampfmaschinen der besten Armee der Welt erfuhren hier am eigenen Leib die Hilflosigkeit und Ohnmacht des menschlichen Seins.
    „Wir brauchen sofort eine Ambulanz“, sagte ich in die Runde. Ich musste mich von diesem Anblick lösen und etwas unternehmen.
    „Ich habe schon alles veranlasst“, sagte eine Stimme. „Die müssen jeden Moment hier sein.“
    Erst jetzt bemerkte ich, dass neben Horst auch ein Legionär in Uniform kniete. Vermutlich hatte er die Rückenwunde versorgt. Als er aufstand, bemerkte ich auch seinen Offiziersrang. Der Lieutenant-Colonel war ein hohes Tier in einer Administrationseinheit in Saigon, die ich nur vom Hörensagen kannte.
    „Ich habe meinen Sous-Lieutenant mit meinem Fahrer losgeschickt, um Verstärkung und Ambulanz anzufordern“, sagte der Offizier.
    Ein rauer Laut lenkte unsere Aufmerksamkeit wieder auf Albert. Er starrte Horst an und bäumte sich auf. Albert wollte etwas sagen, aber so sehr er sich

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