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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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Großvater war störrisch und weigerte sich beharrlich. Außerdem nahm ihr Vater verschiedene Geschäftstermine wahr. Worum es bei diesen Geschäften ging, wusste Dao Anh auch nicht. Es schien, als ob ihr Vater sowohl mit den Franzosen als auch mit dem Viet Minh gute Beziehungen pflegte. Wahrscheinlich mit ein Grund, warum ihre Familie mit den Thai Dam nicht so besonders zurechtkam. Dao Anh selbst entsprach mit ihrer offenen, unbekümmerten Art auch nicht gerade dem Frauenbild der traditionsbewussten schwarzen Thais. Überall wo sie hinkam, wurde sie misstrauisch beäugt und jeder Kontakt vermieden. Immer, wenn sie ihren Großvater besuchten, zog sie sich gerne auf diesen Platz hier zurück. Dao Anh war zuversichtlich, ihren Großvater zu überreden, nach Saigon mitzukommen. Üblicherweise konnte er seiner geliebten Enkeltochter keinen Wunsch abschlagen. Aber diesmal wehrte er sich hartnäckig.
    Wir plauderten bis zum Sonnenuntergang.
    „Jetzt muss ich aber wirklich gehen, Charles.“
    „Darf ich dich begleiten?“
    „Das ist nicht notwendig, Charles, ich finde auch allein nach Hause.“
    „Das kann ich nicht zulassen, Dao Anh. Dann lauert dir vielleicht ein frecher Franzose auf. Nein, nein, es ist besser, ich begleite dich.“
    Sie lachte, und wir spazierten scherzend zum Haus ihres Großvaters. Kurz bevor wir das Haus erreichten, hakte sie sich sogar bei mir unter. Ich war wie elektrisiert.
    „Charles, das war ein wunderschöner Nachmittag“, sagte sie und blickte mir tief in die Augen. Mein Herz pochte und mein Bauch war voller Schmetterlinge.
    „Dao Anh, ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dich kennengelernt zu haben. Ich muss dich wiedersehen. Hast du am Samstag um fünf Uhr Zeit? Treffen wir uns am Fluss?“
    Sie sah mich einige Sekunden lang an, dann nickte sie. „Ich werde da sein. Und nochmals alles Gute zum Geburtstag, Charles“, sagte sie leise und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Dann drehte sie sich um und lief schnell ins Haus.
    Ich konnte mein Glück nicht fassen. Dieses Mädchen brachte mein Blut in Wallung. Am liebsten wäre ich vor Freude jauchzend herumgehüpft. Sie mochte mich! Das schönste, liebste und klügste Mädchen der Welt wollte mich wiedersehen. Grinsend wie ein frisch lackiertes Schaukelpferd und stolz wie ein Pfau marschierte ich zum Stützpunkt zurück. Ich war verliebt.

Dien Bien Phu, Februar 1954
    Wir bauten fleißig unsere Stellungen aus. Täglich hörten wir von unseren Offizieren, welch uneinnehmbare Festung wir errichtet hatten und welch blutige Nase sich die Viet Minh holen würden. Einzelne Granatgeschosse trafen das Flugfeld. Und das waren Treffer von schwerer Artillerie. Unsere Oberbefehlshaber amüsierten sich darüber, dass es den Rebellen gelungen war, einige schwere Artilleriegeschütze in den Dschungel zu schleppen. Aufklärungsflugzeuge wurden gestartet, um die Geschützstellungen zu suchen. Aber weder die Flugzeuge noch gezielt ausgeschickte Patrouillen konnten die Geschütze aufspüren. Gleichzeitig mit den ersten Granateinschlägen begannen die Viet Minh mit ihrem Psychokrieg. Aus überdimensionalen Lautsprechern berieselten sie uns mit Aufrufen in französischer, englischer und deutscher Sprache. Sie priesen die überragende kommunistische Lebensart, zogen über den dekadenten, französischen Imperialismus her und forderten uns Soldaten auf, die Seiten zu wechseln. Wir bräuchten bloß mit einer weißen Fahne zu ihnen zu kommen, schon wären wir im friedliebenden Arbeiterparadies mit allen Annehmlichkeiten der Welt. Einige unserer Männer, sogar Legionäre, nahmen das Angebot an und desertierten. Manche der Deserteure machten später regelrecht Karriere bei den Kommunisten und bekleideten hohe Ämter.
    Meine Unruhe wuchs von Tag zu Tag. Aber ich fürchtete nicht den Viet Minh, sondern sorgte mich um meine große Liebe. Jede freie Minute verbrachte ich mit Dao Anh. Wir trafen uns auf unserem Plätzchen beim Fluss und turtelten, wie es nur zwei frisch verliebte junge Menschen können. Als wohlerzogenes Mädchen wehrte sie meine plumpen Annäherungsversuche anfangs freundlich, aber entschieden ab. Nach zwei Wochen gestattete sie mir erstmals, ihr Händchen zu halten. Ich war verrückt nach ihr. Der Dienst fiel mir immer schwerer. Ich verzehrte mich so nach meiner Dao Anh, dass ich in meinen Tagträumen ständig an sie dachte. Dabei stand ich kurz vor einer mörderischen Schlacht und hatte noch dazu eine Truppe zu führen, die sich

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