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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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vorzustellen. Glücklich vor mich hin träumend näherte ich mich langsam unserem Stützpunkt.
    Ich war nur mehr wenige Schritte vom Eingang zu Claudine entfernt, als mich eine bekannte Reibeisenstimme aus meinen Träumen riss.
    „He, Sergent Charles“, tönte die Stimme von Horst Muler aus der Dunkelheit. Ich erschrak und fuhr herum.
    „Na, hast du dir ein Schlitzauge angelacht?“, rief Horst zynisch. „Ich habe euch gesehen. Ich dachte schon, ihr seid zusammengewachsen, so eng umschlungen seid ihr daherstolziert.“
    Ich hörte ihn zwar, konnte ihn aber nicht sehen. Etwa 20 Meter von mir entfernt erhob sich ein kleiner Hügel mit dichtem Bambusbewuchs. Da irgendwo musste Horst stecken.
    „Horst“, rief ich. „Was willst du? Warum versteckst du dich?“
    „Weil du mich ankotzt“, tönte es aus der Dunkelheit. „Deinetwegen musste Albert sterben. Ich verfluche dich und den Tag, an dem wir dich kennenlernten.“
    „Aber Horst, warum gibst du mir die Schuld? Komm raus, damit wir wie zwei vernünftige Menschen über alles reden können.“
    „Du kannst mich am Arsch lecken“, schrie er hasserfüllt. „Ich will mit dir nichts zu tun haben. Nur dir zuliebe sind wir damals in den Puff gefahren. Albert lag mir den ganzen Tag in den Ohren. Wir wollten dir einen schönen Abend bescheren. Der Junge soll was Nettes erleben. Und? Jetzt ist Albert tot. Ich lande für zwei Jahre in der Hölle, und der feine Herr Charles lässt es sich gutgehen. Ich hasse und verabscheue dich, du Kameradenschwein.“
    Ich war erschüttert. Der war irre.
    „Horst, bist du übergeschnappt? Komm raus und rede mit mir“, rief ich in die Nacht, während ich vergeblich seinen Standort suchte.
    „Du und die gelben, dreckigen Bolschewiken-Huren seid schuld an Alberts Tod“, brüllte Horst aus seinem Versteck. „Ihr seid unwertes Leben. Volksschädlinge, kreuchendes und fleuchendes Ungeziefer, das ausgerottet werden muss. Albert, ich werde das Werk vollenden. Ich werde furchtbare Rache nehmen.“
    Er musste vollends den Verstand verloren haben. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Noch nie hatte ich eine derartige Hasstirade gehört.
    „Ich werde über euch kommen wie das Jüngste Gericht“, schrie Horst. Dann lachte er laut auf. Aggressiv und bösartig peitschte das Lachen durch die Nacht.
    „Wie das Jüngste Gericht“, wiederholte er, und an der Lautstärke seines Lachens merkte ich, dass er sich entfernte. Plötzlich war es wieder still. Ich stand fassungslos auf der Straße und war entsetzt. Auf das wirre Zeug, das Horst von sich gegeben hatte, konnte ich mir keinen Reim machen. Der Nazijargon widerte mich an. Und alles, was er sagte, ergab keinen Sinn. Der Mann war reif für das Irrenhaus. Obwohl er mich bedroht hatte, war ich nicht beunruhigt. Ich wusste mich schon zu wehren. Aber die Art und Weise seines Auftritts ließ vermuten, dass er nicht ganz richtig im Kopf war. Horst gehörte aus dem Verkehr gezogen, der war gemeingefährlich.

Dien Bien Phu, Samstag, 13. März 1954
    Die Zivilbevölkerung war fast vollständig evakuiert. Bis auf wenige Sturschädel wie Dao Anhs Großvater waren die Einwohner von Dien Bien Phu den ständigen Aufrufen des Viet Minh gefolgt und in die Berge abgewandert. Der Großangriff stand unmittelbar bevor. Alle Stützpunkte waren in Alarmbereitschaft. Wir rechneten damit, dass der Viet Minh am nächsten Tag im Morgengrauen seine erste Angriffswelle starten würde.
    Meine Gruppe hatte Bereitschaftsdienst. Das gab mir die Gelegenheit, um elf Uhr am Flugfeld zu sein. Dao Anh und ihr Vater waren bereits dort, als ich eintraf. Sie stellte mich artig vor, und erstmals sah ich meinen künftigen Schwiegervater. Einen schlanken Mann mit Brille und elegantem Anzug, der mich mit ernstem Gesicht musterte. Dann lächelte er freundlich, und Dao Anh schien sehr erleichtert zu sein. Über ein paar Höflichkeitsfloskeln kamen wir aber nicht hinaus. Nacheinander landeten zwei C-47 Douglas-Maschinen. Jetzt musste alles schnell gehen. Die Passagiere warteten in einem Bunker, bereit, sofort zum Flugzeug zu laufen. Die Flugzeuge wurden in Windeseile entladen. Aber kaum, dass sie wieder startklar waren, begann der Viet Minh mit dem heftigen Beschuss des Flugfeldes. Aus unserem Unterstand heraus mussten wir hilflos mitansehen, wie nacheinander beide Maschinen getroffen wurden, vor unseren Augen in Flammen aufgingen und explodierten.
    Ich war äußerst nervös. Fieberhaft überlegte ich, wie ich Dao Anh und ihren

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