Canard Saigon (German Edition)
des Flugplatzes. Meine Gedanken überschlugen sich, mein Herz pochte wild. Der Beschreibung nach war der Soldat Horst Muler. Augenblicklich kam mir das Gespräch, das ich am Vortag mit Sergent Styger geführt hatte, in den Sinn. Er erzählte mir, dass Horst seit zwei Tagen unauffindbar sei. Er hatte sich unerlaubt von der Truppe entfernt. Es bestünde auch die Möglichkeit, dass er zum Feind übergelaufen wäre.
Und jetzt war er bei Dao Anh aufgetaucht. Was hatte Horst vor? Mein Magen drehte sich um, bei dem Gedanken, er könnte ihr etwas antun. Aber woher wusste er, wo sie wohnte? Dann fiel mir ein, dass er gesagt hatte, er hätte uns Arm in Arm gesehen. Ich wurde immer nervöser. Der Jeep schien zu kriechen, obwohl ich das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat. Am Rande des Flugfeldes sprang ich aus dem Wagen. Von hier aus musste ich zu Fuß weiter. Ich rannte den schmalen Weg nach Ban Ong Pet entlang. An unseren Stellungen lief ich vorbei. „Geleitsicherung!“, schrie ich nur und hastete weiter. Mein Körper war vollgepumpt mit Adrenalin. Ich lief, sprang über kleine Hindernisse und nahm manchmal eine Abkürzung durch ein Reisfeld. Die panische Angst um mein Mädchen trieb mich vorwärts. Obwohl ich in höchstem Tempo vorwärtsstürmte, kam ich mir unendlich langsam vor. Ich erlebte einen Albtraum.
Endlich tauchte Ban Ong Pet auf. Der Ort war seit Tagen vollständig evakuiert. Etwas außerhalb der kleinen Siedlung, rechts am Weg, stand ein einzelner Pfahlbau. Etwa 20 Meter vor dieser Hütte stoppte ich abrupt. Neben einem Bambusgestrüpp am Wegesrand lag etwas. Ich trat näher. Der Schock fuhr mir durch die Glieder. Wie gelähmt starrte ich auf den Mann. Es war Dao Anhs Vater. Er lag in einer Blutlache. Jemand hatte ihm von hinten in den Kopf und in den Rücken geschossen. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Jede Faser meines Körpers bebte. Mechanisch hob ich den Kopf und prüfte die Umgebung. Plötzlich blieb mein Blick am Pfahlbau hängen. Dao Anh! Ich glaubte, ihre Gestalt zwischen den Pfählen zu erkennen. Automatisch setzten sich meine Beine in Bewegung. Mit ein paar langen Sätzen hastete ich zu dem Haus. Als ich näher kam, schnürte mir das Entsetzen die Kehle zu. Der Anblick raubte mir den Verstand. Ihre Hände waren am Rücken mit einem Seil vom Handgelenk bis zum Ellbogen gefesselt. Das Seil war über einen Balken geworfen und an einem Pfahl befestigt worden. Es war so stramm gezogen, dass es den Körper meines geliebten Mädchens halb aufrecht hielt. Dao Anh war nackt. Ihr Kleid lag in Fetzen gerissen am Boden. Die Beine berührten kraftlos die Erde. Der Kopf hing nach vorn. Unter ihrem geschundenen Körper hatte sich eine riesige Blutlache gebildet. Alles war voller Blutspritzer.
„Dao Anh“, sagte ich hilflos. „Dao Anh“, wiederholte ich, in der irrwitzigen Hoffnung, eine Antwort zu erhalten. Zärtlich nahm ich ihren Kopf zwischen meine Hände und hob ihn an. Meine geliebte Dao Anh war tot. Ich starrte in ihre leblosen Augen und bemerkte die klaffende Wunde am Hals, die Kehle war durchgeschnitten. Mein Herz krampfte sich zusammen. Wie in Trance hielt ich ihren Kopf und schaute ihr ins Gesicht. Ich wollte nicht wahrhaben, dass sie tot war. Ich hoffte, jeden Moment aus diesem Albtraum zu erwachen. Tränen liefen mir übers Gesicht. Immer wieder stammelte ich ihren Namen. Ich schluchzte und küsste sie verzweifelt.
Da hörte ich von ferne einen Laut. Es war ein Ruf. Erst verstand ich ihn nicht. Langsam, ganz langsam verarbeitete mein Gehirn das Gehörte.
„Sergent Charles“, rief eine Stimme.
„Sergent Charles“, wiederholte die Reibeisenstimme.
Mechanisch hob ich den Kopf und blickte in die Richtung, aus die Worte kamen. Auf einer Bodenwelle, etwa 60 Meter entfernt, stand Horst Muler. Seine Silhouette zeichnete sich gegen den wolkenlosen Himmel ab. Er trug eine weiße Fahne, die er mit einer Hand hochstreckte. Er stand da wie ein Monument des Bösen.
„Sergent Charles“, rief er nochmals. „Mach dir nichts draus. Die gelbe Dreckshure war nichts wert. Die konnte nicht mal richtig vögeln. Die Sau hat nur gewinselt.“ Er lachte total irre. „Sergent Charles, die Ente war besser“, schrie er und lachte wieder. „Die Ente war besser. Viel besser.“ Mit einem weiteren bösartigen Lachen verschwand er hinter der Bodenwelle.
Augenblicklich packte mich die blanke Wut.
„Du elende Drecksau“, brüllte ich, dass sich meine Stimme überschlug. „Ich bring dich um, du
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