Canard Saigon (German Edition)
augenblicklich. Langsam ließ er sich wieder auf seinen Sessel nieder. Sandra stimmte der Euphorie sichtlich nicht zu. Hatten sie etwas übersehen? Marc überlegte fieberhaft. Was beweist diese Aussage, fragte er sich. Gut, der Doktor steht auf Fesselspiele. Aber ist er als Mörder überführt? Wir haben noch keinen einzigen Beweis. Aber wir haben wenigstens einen dringend Tatverdächtigen, dachte er. Marc blickte wieder in die Runde. Die Ermittler beruhigten sich langsam. Jetzt hatte er die unangenehme Aufgabe, auf die Euphoriebremse treten zu müssen.
„Kollegen, setzt euch bitte“, sagte Marc. Er wartete, bis alle Platz genommen hatten und Ruhe eingekehrt war. „Ich danke Paul für seine hervorragende Arbeit. Wir haben jetzt eine erste heiße Spur. Die Indizien, dass Richard Klein als Täter infrage kommt, verdichten sich. Wir müssen es nur noch beweisen.“ Marc hatte absichtlich einen sachlichen Ton angeschlagen. Er sah kurz in die Runde und merkte, dass Sandra ihn dankbar ansah.
„Nehmen wir dieses Stück Dreck sofort fest“, rief Martin. „Ich wette, nach zwei Stunden Verhör fällt der wie ein Kartenhaus zusammen.“
„Ich weiß, du magst ihn nicht, Martin“, sagte Marc. „Ich kann ihn auch nicht ausstehen. Aber halten wir uns an die Fakten. Wir haben keine Beweise.“
„Warum lebt diese Carmen noch?“, fragte Sandra. „Natürlich bin ich froh, dass sie noch lebt. Aber der Doktor besucht sie regelmäßig. Er weiß, dass sie ihn eindeutig identifizieren kann. Wenn er der Täter war, warum hat er Fay ermordet? Die hat ihn doch nur einmal gesehen. Wenn ich überlege, wie vorsichtig der Täter zu Werke geht, wundert es mich, dass er die wichtigste Belastungszeugin am Leben lässt. Tut mir leid, aber das ergibt für mich keinen Sinn.“ Marc war beeindruckt. Sandras Argumentation war schlüssig. Die Ermittler saßen nachdenklich um den Konferenztisch.
„Vielleicht wäre diese Carmen sein nächstes Opfer geworden“, sagte Martin nach einer kurzen Pause.
„Dann stimmt die Reihenfolge nicht“, meinte Sandra.
„Vielleicht hat er sich auch in Carmen verliebt. Möglicherweise ist sie sogar seine Komplizin. Wer weiß schon, was in so einem Kopf vor sich geht.“ Martin versuchte, seine Theorie zu retten. „Ach, was weiß ich“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Moment, da fällt mir etwas ein. Bei Fay hatte er ein Messer dabei, als er mit ihr im Studio war. Das ist eine klare Verbindung zu den Morden. Paul, hat er bei dieser Carmen auch mit einem Messer herumgefuchtelt?“
„Nein, kein Messer. Ich habe ausdrücklich danach gefragt“, antwortete Paul.
„Na also! Der Kerl ist clever. Deshalb hat er Fay als ernstere Bedrohung gesehen. Vielleicht steht diese Carmen auch noch auf seiner Liste. Wir sollten sie sofort unter Polizeischutz stellen“, rief Martin mit erregter Stimme.
„Da gebe ich dir recht“, sagte Paul. „Ich denke, dass der Doktor hochgradig verdächtig ist. Versuchen wir, es zu beweisen.“
„Sehr richtig, Paul“, stimmte Marc zu. „Ich denke, wir sollten ihn zu einer gründlichen Befragung bitten. Für eine Festnahme wird die Beweislage nicht ausreichen. Aber ich werde mit der Staatsanwältin sprechen. Jedenfalls will ich, dass Klein ab sofort rund um die Uhr überwacht wird. Und diese Carmen kommt vorläufig in Schutzhaft.“
Marc räusperte sich. Er wandte sich um und vergewisserte sich, ob Thomas Gridler auch alle Fakten auf der Pinnwand vermerkt hatte.
„Kollegen, ich hatte gestern ein Gespräch, das möglicherweise für die Serienmorde von Bedeutung ist“, sagte Marc. Dann erzählte er die Lebensgeschichte von Charles Wegner, die noch so frisch in seinem Gedächtnis haftete. Natürlich fasste er zusammen, war aber bemüht, die Geschichte nicht so weit zu vereinfachen, dass Charles in einem schiefen Licht dargestellt würde. Er zeichnete die Grauzonen, in die der Legionär geschlittert war, so, dass die Zuhörer ihn nicht für ein Monster halten konnten. Marc schilderte das Schicksal eines jungen Burschen, den die Nachkriegswirren bis ans andere Ende der Welt verschlagen hatten. Und eines Mannes, der glaubte, den Grundstein für die Serienmorde gelegt zu haben. Nach fast einer Stunde beendete Marc seinen Bericht. Er sah in die Runde und blickte in nachdenkliche Gesichter.
„Was haltet ihr von der Geschichte?“, fragte er.
„Wow, was für eine Story“, sagte Martin Schilling. „Und der alte Mann hat sich das nicht nur
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