Canard Saigon (German Edition)
dem Outfit bin heute ich der Prinz im Royal Body Fitnesscenter. Wie kann ich mich revanchieren? Darf ich Sie zum Essen einladen, Frau Kessler?“
„Nun ..., na ..., ich, ich denke nicht“, sagte Sandra. „Ich lebe in einer Beziehung.“
Diese Bemerkung kam eindeutig zu schnell, fand Marc. Er sah sie an und bemerkte ihre Verwirrung. Auch Bayer hatte diese oberflächliche Schutzbemerkung wahrgenommen.
„Aber gnädige Frau Kessler. Ich lade Sie nur zu einem harmlosen Essen ein. Sie sind eine der interessantesten Frauen, mit denen ich jemals ein Gespräch führen durfte. Wer will eine Frau wie Sie nicht näher kennenlernen? Frau Kessler, welche Art von Küche bevorzugen Sie? Chinesisch, italienisch, französisch oder vielleicht kreolisch?“
„Nein danke, sehr nett, aber nein danke. Wie ich schon sagte ...“ Sandra blickte dabei kurz zu Boden und zupfte an ihrem Hosenanzug herum. Nicht zu glauben, dachte Marc, sie hat Feuer gefangen.
„Jetzt weiß ich es!“, rief Bernhard Bayer. „Ich lade Sie zu einem perfekten Essen ein. Ich bestelle für uns eine Parkbank im Garten von Schönbrunn. Ich besorge uns Knackwurst, Semmeln und zwei Flaschen Bier. Und Sie besorgen ein Absperrband für den Umkreis von 200 Metern, damit uns keine Menschenseele auf den Geist gehen kann. Was sagen Sie dazu?“
Sandra und Marc sahen ihn kurz an. Dann lachten beide los. Marc schüttelte den Kopf. Das war die verrückteste Einladung, die er jemals gehört hatte. Auch Bayer schmunzelte. Als er sich wieder beruhigt hatte, übernahm Marc die Gesprächsführung.
„Herr Bayer, der Grund unseres Besuches liegt in der Vergangenheit. Sie haben bei der Wiener Elementar gearbeitet.“
„Oje, jetzt ist meine Jugendsünde doch noch herausgekommen. Aber Sie müssen verstehen, Herr Vanhagen, ich war jung. Und ich brauchte das Geld! Ja, ich gestehe. Ich habe meine Trainerausbildung bei der Wiener Elementar absolviert. Ich bin nicht stolz darauf, aber es gab auch schöne Zeiten.“
Marc lachte wieder. Er wusste nicht genau, ob Bayer ihn eben verarschte oder nur witzig war.
„Es gab da ein Seminar im September 1988, das von Dr. Kaiser geleitet wurde und das Sie besuchten. Einer der Teilnehmer war Charles Wegner, ein ehemaliger Fremdenlegionär. Können Sie sich daran noch erinnern?“
„Puh, klar. Der Charles hat uns Geschichten erzählt, die vergisst du dein ganzes Leben nicht. Aber ich habe ihn schon ewig nicht gesehen. Der muss doch längst in Pension sein, oder?“
„Welche Geschichten meinen Sie?“
„Na, seine Erlebnisse in Vietnam“, sagte Bernhard Bayer. „Er ist doch hoffentlich nicht in Schwierigkeiten? Warum fragen Sie danach? Worum geht es überhaupt?“
„Herr Bayer, wir kennen die Lebensgeschichte von Charles Wegner. Ich will nur wissen, woran Sie sich noch erinnern können.“
„Da war so eine Sache mit einer Ente“, sagte Bayer vorsichtig. „Und etwas mit seiner Freundin.“ Er formulierte seine Worte behutsam.
„Wie ich schon sagte, wir kennen die Geschichte“, bekräftigte Marc. „Und Charles Wegner hat nichts zu befürchten. Sie können sich also daran erinnern?“
„Als hätte er sie gestern erzählt.“
„Haben Sie diese Geschichte weitererzählt?“
Bayer überlegte. „Ein paarmal vielleicht. Ich schätze Charles sehr. Ich habe nie seinen Namen genannt. Aber in Weinlaune, in so typischen Männerrunden habe ich die Story schon erzählt. Nicht oft, aber es ist schon vorgekommen.“
„Können Sie sich noch erinnern, wer Ihre Zuhörer waren?“
„Herr Vanhagen, es tut mir leid, aber da muss ich passen.“
„Na gut, das war schon alles“, sagte Marc und stand auf. Er griff in seine Jacke und überreichte Bernhard Bayer seine Visitenkarte. „Sollte Ihnen jemand einfallen, dem Sie das Ganze erzählt haben, rufen Sie mich bitte an.“
Bayer nahm die Karte entgegen und wandte sich an Sandra, die ebenfalls aufgestanden war.
„Frau Kessler, könnten Sie mir bitte auch Ihre Visitenkarte geben? Sie wissen schon, wenn Herr Vanhagen nicht erreichbar ist“, sagte Bayer mit gespielter Ernsthaftigkeit.
Sandra sah ihn an und überlegte einen Moment. Dann lächelte sie und übergab ihm wortlos ihre Karte. Bernhard Bayer grinste übers ganze Gesicht. Er nahm seine Brieftasche und überreichte seinerseits den beiden Ermittlern eine Visitenkarte.
„Sollten Sie noch Fragen haben, stehe ich gerne zur Verfügung“, sagte er und sah dabei Sandra in die Augen.
„Eine Frage habe ich noch“, sagte Sandra.
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