Canard Saigon (German Edition)
stellten sich vor, und Jürgen Janovski bat sie höflich in die Wohnung. Er führte sie durch das Wohnzimmer in die angrenzende Küche. Im Wohnzimmer hatte sich inzwischen der große Mann vor den laufenden Fernseher gesetzt und würdigte sie keines Blickes.
Als sie die Küche betraten, bat sie Janovski, am Esstisch Platz zu nehmen.
„Dieser ungehobelte Klotz da draußen ist Erich, mein Lebensgefährte“, entschuldigte er sich. „Sie müssen entschuldigen, aber heute hat er schlechte Laune. Und an solchen Tagen benimmt er sich wie ein Hinterwäldler. Aber was soll ich machen, ich liebe ihn so, wie er ist.“
Marc warf Sandra einen Blick zu, worauf sie kurz mit den Schultern zuckte. Beiden war sofort klar, dass Janovski als Schwuler keinesfalls der Täter sein konnte. Marc stellte ihm ähnliche Fragen wie schon zuvor Bernhard Bayer. Janovski konnte sich nur bruchstückhaft erinnern. Er gab zu verstehen, dass er absolut kein Interesse an schmutzigen Sexgeschichten habe und solche keinesfalls weitererzählen würde. Zu seinem Gesundheitszustand gab er an, dass ihm vor neun Jahren ein Herzschrittmacher eingesetzt worden war und er sonst keine Beschwerden habe. Marc und Sandra verabschiedeten sich bald und machten sich auf den Weg in den 2. Bezirk.
Wien, Samstag, 24. April 2010, 15.00 Uhr
Marc und Sandra saßen an der halbkreisförmigen Anbauplatte des Schreibtisches von Johann Schreudl. Sandra hatte den Termin telefonisch vereinbart. Schreudl hatte sie schon erwartet und in sein Wohnbüro gebeten. Marc blickte sich um. Eine echte Singlewohnung, dachte er. Spartanisch eingerichtet, blitzte die Wohnung vor Sauberkeit. Die moderne Couch aus dunkelbraunem Leder diente als Raumteiler zwischen Büro und Wohnbereich. An der Wand war ein riesiger Flachbildfernseher befestigt. Vier elegante Säulenlautsprecher, ein Center Speaker unter dem Bildschirm und ein mächtiger Subwoofer ließen einen tollen Surroundsound vermuten. Alles war schlicht und funktionell gestaltet. Auf dem aufgeräumten Arbeitsbereich des Schreibtisches stand ein Flachbildmonitor, davor lagen eine Tastatur und eine Maus. Ein Verbau an der Wand hinter dem Arbeitsbereich bot ausreichend Stauraum für Büromaterialien und Ordner. An einer Wand hingen zwei Bilder, ansonsten fehlte jeglicher Schnickschnack.
Johann Schreudl servierte ihnen Kaffee und setzte sich an seinen Schreibtisch.
„Sie kommen vom Bundeskriminalamt. Was führt Sie zu mir?“
Marc betrachtete sein Gegenüber. Johann Schreudl war ungefähr 178 Zentimeter groß und hatte einen sportlichen Körper. Er trug ein frisch gebügeltes weißes Hemd, eine dunkelblaue Hose und eine dunkelblaue Krawatte mit grauem Streifenmuster. Die kurzen dunkelblonden Haare und die dezente Solarienbräune verliehen ihm die Aura eines modernen Managers. Die ausgeprägten Wangenknochen und der feste Blick ließen das Gesicht des 41-Jährigen kantig wirken. Wenn er lächelte, entspannten sich seine Züge allerdings blitzschnell, und er wirkte locker und charmant. Das ist ein Mann, auf den Frauen stehen, dachte Marc. Ich bin gespannt, welchen Eindruck er auf Sandra macht. Marc räusperte sich und fragte nach dem Seminar im September 1988 und nach Charles Wegner. Schreudl legte seine Stirn in Falten.
„Das ist verdammt lang her“, sagte er. „Wie sagten Sie, war der Name dieses Mannes?“
„Charles Wegner“, wiederholte Marc. „Und er war ein ehemaliger Fremdenlegionär, der einige Erlebnisse aus dieser Zeit erzählte.“
„Charles Wegner, Charles Wegner“, murmelte Schreudl. Er kniff die Augen zusammen und sah nach oben. „Der Name sagt mir gar nichts. Aber bei Fremdenlegionär dämmert mir etwas. War da nicht etwas, verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, Frau Keller, irgendetwas mit Sex mit Tieren oder so?“
Marc nickte.
„Woran können Sie noch genau erinnern?“
„Ehrlich gesagt, hätte ich mir jede haarsträubende Geschichte gemerkt, die man mir erzählt hat, wäre mir längst der Schädel geplatzt.“
„Sie haben ihm nicht geglaubt?“
„Mir hat einmal ein Verkäufer von Honigprodukten erzählt, er wäre ein vertriebener tschechischer Prinz und sein Großvater habe die erste Schibindung erfunden. Wer weiß, ob dieser Wegner oder wie der heißt wirklich bei der Fremdenlegion war? Und dass die in Saigon Enten missbraucht haben, fällt für mich in die Kategorie tschechischer Prinz.“
„Haben Sie die Geschichte jemals weitererzählt?“
„Ich bin doch nicht verrückt“, entrüstete sich
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