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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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„Jedenfalls danke ich Ihnen für die hervorragende Arbeit. Ich übernehme jetzt. Gehen Sie ruhig zu Ihrem Kollegen und sichern Sie die Zufahrt.“
    Marc blickte auf die Plane und spürte das Verlangen, sich die Tote anzusehen. Aber er wusste, dass er damit Spuren vernichten konnte. Er ging zu seinem Wagen, holte eine Taschenlampe und begann, den Gehsteig nach Reifenspuren abzusuchen. Aber er entdeckte nur einige Fußspuren im nassen Gras, die vermutlich von den Polizeibeamten stammten. Er setzte sich ins Auto, um nicht komplett nass zu werden, und wartete auf die Einsatzkräfte.
    Will uns der Täter provozieren oder sind wir ihm vollkommen gleichgültig, fragte er sich. Der legt doch glatt sein Opfer auf denselben Platz, auf dem er schon einmal eine Leiche deponiert hat. Oder folgt er einem bestimmten Ritual? Will er uns eine Botschaft zukommen lassen? Marc steckte sich eine Zigarette an und sog den Rauch tief in seine Lungen. Er zermarterte sich das Hirn, um eine logische Verbindung zu finden. Vielleicht weiß ich mehr, wenn ich die Identität des Opfers kenne, dachte er. Als er die Zigarette ausdrückte, hörte er das Nahen der Kavallerie. Innerhalb von zehn Minuten war der Rastplatz voll mit Polizisten, Spezialisten und Ermittlungsbeamten.
    Die Beamten des Erkennungsdienstes stellten Scheinwerfer auf. In weniger als einer Minute errichteten sie mit routinierten Handgriffen ein sechs mal sechs Meter großes Faltzelt über der Leiche. Für die Befestigung der Seitenwände brauchten sie etwa drei Minuten. Marc wunderte sich, wie schnell das ging. Er blickte sich um und sah, wie Martin Schilling seinen Dienstwagen parkte. Er und Nicole Sandmann stiegen aus und gingen auf ihn zu. Irgendetwas irritierte Marc beim Anblick seiner Kollegen. Sie hielten zu viel Abstand voneinander. Als sie Marc erreichten, begrüßten sie ihn. Sie sahen beide aus, als hätten sie nicht geschlafen. Martin hatte tiefe Augenringe, Nicole hatte zu viel Make-up aufgetragen.
    „Habt ihr durchgemacht?“, fragte Marc.
    Die beiden warfen sich einen flüchtigen Blick zu. „Ich konnte nicht schlafen, Boss“, sagte Martin mit einem gequälten Grinsen. „Du weißt schon, die Sorgen um die Weltwirtschaft, den Frieden in Nahost und die Brandrodungen im Amazonasgebiet lassen mich kein Auge zutun.“
    Nicole verschränkte ihre Arme vor dem Körper und zog an ihrer Jacke. „Brr, heute ist es ganz schön frisch“, sagte sie und vermied es, Marc anzusehen. „Können wir schon ins Zelt?“
    Marc lächelte. Das Verhalten der beiden Kollegen war leicht zu durchschauen. Sie hatten miteinander geschlafen. Das menschliche Verhalten ist doch sonderbar, dachte Marc. Solange sich die beiden nicht nähergekommen sind, haben sie sich geneckt, herumgeblödelt und sind unbefangen miteinander umgegangen. Nachdem sie miteinander Sex hatten, wollen sie das mit betonter Distanz zueinander verheimlichen. Und genau dieses Verhalten verrät sie.
    „Nein, die Kollegen bauen noch die Scheinwerfer im Zelt auf“, beantwortete Marc ihre Frage. „War es wenigstens schön?“ Marc schmunzelte und wandte sich, ohne auf eine Antwort zu warten, um und ging zum Zelteingang.
    Die vermummten Beamten in den weißen Tyvek-Anzügen schalteten soeben den Scheinwerfer an. Marc blickte ins Innere des Zeltes. Vier Kollegen des Erkennungsdienstes hoben vorsichtig die nasse Plane an und schafften sie aus dem Zelt. Da die Fußspuren bereits vermessen und fotografiert waren, durften die Ermittler eintreten. Sie stellten sich an die Zeltwand neben dem Eingang. Marc brauchte einige Sekunden, um den Anblick zu realisieren.
    „Oh Gott!“, entfuhr es Nicole. Sie kniff die Augen zusammen und drehte kurz den Kopf weg.
    „Diese Drecksau!“, sagte Martin leise und ballte seine Fäuste.
    Marc war blass geworden. Starr vor Entsetzen blickte er auf den Leichnam. Da lag tatsächlich ein kleines Mädchen!
    Auch die Beamten des Erkennungsdienstes standen regungslos und starrten auf die grausige Szenerie. Das gleißende Scheinwerferlicht knallte auf die fahle Haut des zierlichen Mädchenkörpers und verstärkte die brutale Realität des Anblicks. In der Stille des Entsetzens hörten sich die Klicks des Fotoapparates wie Donnerschläge an. Der Fotograf hatte, scheinbar unbeeindruckt, mit seiner Arbeit begonnen. Als er den ersten Schritt auf die Tote zuging, löste er damit die Erstarrung der anwesenden Beamten. Schweigend begannen sie mit ihrer Arbeit.
    Marc rang noch immer um seine Fassung. Dieses

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