Canard Saigon (German Edition)
Johannes Schmied war die perfekte Ergänzung zu Fritz. In ruhigen Worten übersetzte er in Besprechungen das Fachchinesisch seines Partners. Er konnte schwierige Zusammenhänge in einfachen Worten erklären. Zudem war Johannes ein genialer Anwender und konnte der von Fritz programmierten Software die tollsten Resultate entlocken.
Die Tür zum Aufenthaltsraum öffnete sich und Emma Szinovek steckte den Kopf herein.
„Meine Herren, die Sachen der Toten sind da.“
Marc und Johannes drückten ihre Zigaretten aus. Auf dem Weg ins Labor des Bundeskriminalamts schlossen sich ihnen Sandra Kessler und Emma Szinovek an.
Sie betraten das klinisch saubere Empfangszimmer des Kriminallabors. Auf einem riesigen Edelstahltisch lagen, penibel sortiert, die aufgefundenen Sachen der toten Krankenschwester. Mag. Ilse Brandstetter, die stellvertretende Leiterin des Labors, war dabei, die Gegenstände zu katalogisieren. Sie unterbrach ihre Arbeit und begrüßte die Ermittlergruppe.
„Frau Mag. Brandstetter, wir werden in nächster Zeit engen Kontakt zu Ihrem Labor pflegen“, kam Marc Vanhagen ohne Umschweife zur Sache. „Unsere Kontaktperson ist Frau Szinovek. Ich bitte Sie, alle Informationen über sie laufen zu lassen.“
Die 45-jährige Laborspezialistin mit der strengen Frisur und den verhärmten Gesichtszügen nickte und lächelte Emma etwas gequält zu.
„Wir brauchen einige dieser Sachen sofort“, sagte Marc und wandte sich dem Tisch zu.
„Welche Sachen wären das?“, fragte Ilse Brandstetter.
„Ich brauche die SIM-Karte des Handys“, meldete sich Johannes Schmied zu Wort.
„Und ich hätte gerne den Schlüsselbund“, sagte Marc.
„Beides kein Problem“, sagte Ilse Brandstetter. „Wenn Sie einen Moment warten würden.“ Sie packte die gewünschten Gegenstände vorsichtig in Papiertüten und verschwand in einen Nebenraum.
„Fein säuberlich zertrennt“, sagte Sandra Kessler. Sie hatte sich über den Tisch gebeugt und begutachtete die Kleidungsteile. „Hmm, seht mal, saubere Schnitte. Der Täter hat sich richtig Zeit genommen. Er muss den Stoff schön straff gehalten haben. Und sein Werkzeug war sehr scharf. Keine Ausfransungen zu sehen. Vermutlich eine Schere mit aufgebogenen Klingen.“
„Wie kommst du darauf?“, fragte Johannes.
„Auf der Haut der Toten waren keine Kratzer entlang der Schnittlinien zu sehen. Hätte er in Eile geschnitten oder eine Haushaltsschere benutzt, wären kleine Verletzungen unvermeidlich gewesen. Es könnte auch eine Schere gewesen sein, wie sie in Unfallambulanzen benutzt wird, um Kleidung von verletzten Stellen zu entfernen.“
„Womit wir wieder eine Verbindung zum Maria-Theresia-Spital haben“, mutmaßte Johannes Schmied.
„Mhh“, brummte Marc zustimmend. „Könnte sein.“
Frau Mag. Brandstetter betrat wieder den Raum. Sie übergab die gewünschten Gegenstände.
„Ich habe die DNA-Spuren gesichert, brauchbare Fingerabdrücke waren nicht vorhanden“, sagte sie kühl.
Marc fragte sich, ob diese Frau imstande war, herzhaft zu lachen. Aber er verdrängte den Gedanken sofort und bedankte sich freundlich. Die Gruppe machte sich auf den Weg in den War Room. Nur Emma blieb, um die Modalitäten ihrer zukünftigen Zusammenarbeit zu klären.
Johannes Schmied begab sich zu seinem Schreibtisch neben Fritz Stainer, der wie wild in die Tastatur seines Computers hämmerte.
„Sandra und ich fahren jetzt in die Wohnung des Opfers“, meldete sich Marc bei Thomas Gridler ab. Marc überprüfte kurz, ob er alles Notwendige bei sich hatte, dann fuhren Sandra und er mit dem Lift in die Tiefgarage.
Wien, Freitag, 16. April 2010, 10.35 Uhr
„Und, wie lebt es sich in St. Pölten?“, fragte Marc Vanhagen, während er ungeduldig mit den Fingern auf dem Lenkrad trommelte. Vor einer Baustelle hatte sich ein Stau gebildet, und sie kamen nur im Schritttempo voran.
„So weit, so gut“, antwortete Sandra Kessler. „Die erste Zeit war schwierig, mittlerweile habe ich mich eingewöhnt.“
„Hast du deine Wohnung in Wien aufgegeben?“, fragte Marc. Sandra streifte einen imaginären Krümel von ihrem eleganten grauen Hosenanzug. Marc überlegte, ob er sie jemals in einem Kleid gesehen hatte, aber er konnte sich nicht erinnern. Sie streifte mit der linken Hand ihre glatten rotbraunen Haare hinter ihr Ohr und sah ihn an.
„Das würde ich nie machen. Für keinen Mann der Welt würde ich meine Wohnung aufgeben“, antwortete sie scharf.
„Hey, hey, hey, cool down, meine
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