Canard Saigon (German Edition)
einzige Mann in Zivilkleidung drehte sich zu ihnen um, als er sie sprechen hörte. Erhard Gradwohl, der Einsatzleiter der Gruppe, war ein altgedienter Staatsbeamter, der nur noch die Tage bis zu seiner Pensionierung zählte. Er begrüßte die Neuankömmlinge förmlich und kam mit leiser, monotoner Stimme direkt zur Sache.
„Also eines steht mit Sicherheit fest, diese Wohnung ist kein Tatort. Wir konnten weder Kampfspuren noch irgendwelche Blutspuren entdecken. Alles weist darauf hin, dass Frau Rodriguez hier allein gelebt hat. In den Schränken befinden sich nur Kleider, Dessous und Damenschuhe. Allerdings weisen eine zweite Zahnbürste, ein Duschgel für Männer und ein Bademantel in Herrengröße auf den gelegentlichen Aufenthalt eines Mannes hin.“
„Wie weit seid ihr?“, fragte Marc, während er seine Blicke über die elegante Wohnzimmereinrichtung schweifen ließ.
„Im Schlafzimmer sind wir fertig“, antwortete der Einsatzleiter. „Für Küche, Bad und Wohnzimmer brauchen wir noch etwa 15 Minuten.“
„Gibt es Hinweise auf die Identität des gelegentlichen Besuchers?“, fragte Sandra.
„Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob es sich um nur einen Mann handelt. Wir haben DNA-Proben gesichert, alles Weitere wissen wir nach der Analyse.“
Gradwohl drehte sich um und schlurfte zu einem kleinen Sekretär in viktorianischem Stil. Auf der mit edlen Intarsien eingelegten Schreibtischplatte lagen, fein säuberlich sortiert, einige Poststücke.
„Hier lag eine Tageszeitung vom Montag dieser Woche“, sagte er und öffnete die Schubladen des Sekretärs. In einer Lade befanden sich eine Handkassa mit etwas Bargeld und zwei Ordner. Der zweiten Lade entnahm er drei Ordner.
„Und hier sind Kontoauszüge, Versicherungspolizzen und ein Ordner für bezahlte Rechnungen.“
„Die nehmen wir sofort mit“, entschied Marc. „Was war im Postkasten?“
„Da fanden wir Tageszeitungen von Dienstag bis heute, eine Rechnung von Wien Strom und jede Menge Werbematerial“, sagte Gradwohl. „Jedenfalls deutet alles darauf hin, dass Frau Rodriguez am Dienstag ihre Wohnung verlassen hat und nicht wieder zurückkehrte.“
„Küche und Bad sind fertig“, rief eine Stimme aus einem Nebenraum.
„Dann werden wir uns gleich umsehen“, sagte Marc. Sandra Kessler folgte ihm in das luxuriös ausgestattete Schlafzimmer.
„Na, das nenne ich eine Spielwiese“, entfuhr es Sandra. Sie spielte damit auf das runde, den Raum dominierende Bett an. Die riesige Matratze war mit weißem, die Umrandung mit grauem Leder überzogen. Die Tapeten an der Wand hinter dem Kopfteil mit ihren verspielten rosafarbenen Ornamenten bildeten einen auffälligen Kontrast zu den cremefarbenen anderen Wänden. In die silberfarbene Zwischendecke waren, kreisförmig angeordnet, unzählige kleine Spots eingearbeitet.
Marc warf einen Blick ins angrenzende Badezimmer.
„Modern, stilvoll und teuer“, rief er Sandra zu, die inzwischen die Schränke im Schlafzimmer begutachtete. „Die Dame wusste zu leben.“
„Ihre Kleidung ist auch nicht zu verachten“, sagte Sandra. „Fast nur Designerkleidung und feinste Dessous.“
Marc setzte seinen Rundgang fort und betrat die Küche. Die Schränke und Geräte blitzten vor Sauberkeit. Er erkannte auf den ersten Blick, dass die Küche maßgefertigt war. Als er, fast neidisch, den eingebauten Dampfgarofen bestaunte, klingelte sein Handy. Er sah auf das Display.
„Hallo Johannes, was gibt es?“
„Hallo Marc, ich habe das Handy von Frau Rodriguez untersucht. Sie hat fünf Bilder damit fotografiert. Auf zwei Fotos erkennt man einen nackten, schlafenden Mann. Die restlichen Bilder zeigen unser Opfer neben dem schlafenden Unbekannten. Offensichtlich hat sie auch diese Fotos selbst geschossen.“
„Interessant“, murmelte Marc Vanhagen. „Johannes, kannst du mir bitte die Fotos auf mein Handy senden? Oder noch besser, schick sie mit einem kurzen Begleittext an alle Kollegen.“
„Mach ich“, antwortete Johannes. „Die Bilder sind aber von minderer Qualität. Soll ich sie vorher bearbeiten?“
„Nein, nein, schick uns die Fotos sofort. Wie weit bist du mit der Analyse der Telefongespräche?“
„Die genauen Gesprächsdaten habe ich bereits vom Betreiber angefordert. In etwa zwei Stunden sollten wir die Aufstellung bekommen. Im Moment beginne ich mit der Auswertung der Adresslisten.“
„Gute Arbeit, Johannes“, lobte Marc. „Wir sehen uns dann im War Room.“
Wenig später hatten Sandra
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