Canard Saigon (German Edition)
internationalen Haftbefehl gesucht.“
Marc Vanhagen stand auf und blickte sich im Raum um. „Und ich brauche jetzt dringend einen Kaffee.“ Er entdeckte die Kaffeemaschine. „Möchte noch jemand?“
Einige Kollegen nahmen das Angebot an.
„Ich denke, die beiden Fälle in Österreich folgen demselben Tatmuster“, sagte Sandra Kessler und ignorierte den Lärm der Kaffeetrinker. „Der Fall in Kroatien passt nicht ins Schema, da gibt es nur oberflächliche Zusammenhänge.“
Sandra Kessler, die 38 Jahre alte Kriminalpolizistin, hatte Marc aus Niederösterreich angefordert. Er achtete die schlicht wirkende Kollegin wegen ihres scharfen Verstandes und ihrer psychologischen Kenntnisse. Sie hatte Seminare beim FBI absolviert und war nun seine Profilerin, obwohl sie die Bezeichnung gar nicht mochte. Sandra war im Vorjahr von Wien nach St. Pölten übersiedelt. Mit ihrem 17-jährigen Sohn aus erster Ehe war sie, nach langem Zögern, zu ihrem Lebensgefährten, einem Bauunternehmer, gezogen.
„Wir haben mit Ahmet Düzel einen Hauptverdächtigen“, fuhr Sandra fort. „Wenn er seine Frau ermordet hat, ist er auch der Mörder der toten Asiatin. Was spricht für ihn als Täter?“
„Die Augenzeugen“, meldete sich Paul Valek zu Wort. „Immerhin hat ihn jemand gesehen, wie er nach dem Tod seiner Frau das Haus verlassen hat.“
Paul Valek war ein echter Wiener. Er sprach im breitesten Dialekt. In seiner Jugend hatte er geboxt, entsprechend bullig war sein Aussehen. Seine markante Nase war bestimmt viermal gebrochen, das sah man ihr an. Der 37-Jährige kannte Wien wie seine Westentaschen. Das galt besonders für die Unterwelt. Red Bull Pauli, wie er in der Szene, in Anspielung auf seine rotblonden Haare, seine Härte und seinen Beruf, genannt wurde, verfügte über ein unglaubliches Netzwerk von Informanten. „Ist nur die Frage, wie verlässlich die Zeugen wirklich sind“, schloss er seine Wortmeldung ab.
„Das sehe ich genauso“, brachte sich Marc wieder ins Gespräch ein. „Wir müssen die Zeugen nochmals eingehend befragen. Außerdem brauchen wir einen Lokalaugenschein. Paul Valek und Simon Hoffer übernehmen diese Aufgabe. Die Wohnung wird längst neu vergeben sein. Bittet die neuen Mieter trotzdem, ob ihr euch alles ansehen dürft. Verschafft euch einen Überblick. Und schaut euch bitte genau an, von welchem Blickwinkel und bei welchen Lichtverhältnissen die Zeugin Ahmet Düzel erkannt haben will.“
Simon Hoffer nickte wortlos. Er war mit seinen 56 Jahren die graue Eminenz der Truppe. Nicht nur wegen seiner Haarfarbe. Simon wirkte in jeder Situation gelassen und souverän. Und das zu Recht. Er beherrschte sechs Sprachen und war der Experte auf dem Gebiet Extremismus und Terrorabwehr. Marc war froh, den auf den ersten Blick so unscheinbar wirkenden übergewichtigen Ermittler in seinem Team zu haben. Simon Hoffer stand allerdings nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Sollten sich internationale Bewegungen in der Terrorszene ergeben, würde er sofort wieder abberufen werden.
„Kollegen, wir gehen vorläufig von drei Szenarien aus“, wandte sich Marc Vanhagen wieder an die Gruppe. „Möglichkeit eins: Der Täter ist Ahmet Düzel. Er hat seine Frau ermordet, ist untergetaucht und mordet weiter. Sicherheitshalber überprüfen wir, ob er zum Tatzeitpunkt in Kroatien war. Variante zwei: Wenn alle drei Fälle zusammenhängen, suchen wir vielleicht nach einem international tätigen Serienkiller. Die dritte Möglichkeit wäre ein oder sogar mehrere Täter aus der rechtsradikalen Szene mit rassistischen Motiven. Über die politische Brisanz dieses Szenarios brauche ich wohl keine weiteren Worte verlieren. Wir arbeiten in Zweierteams. Paul und Simon sind ein Team. Sandra wird mit mir arbeiten. Das dritte Ermittlungsteam bilden Martin Schilling und Nicole Sandmann.“
Die 25-jährige Blondine lächelte kokett und sah Martin Schilling in die Augen.
„Na dann, schöner Mann, gehen wir es an“, flötete sie mit einem Anflug von Ironie. Nicole war ausgesprochen hübsch, eine Frohnatur mit einer tollen Figur. Sie war eine hervorragende Ermittlerin und prädestiniert für verdeckte Einsätze. Nicole hätte auch eine erstklassige Schauspielerin abgegeben, so überzeugend schlüpfte sie in diverse Rollen. Sie war, wie Martin Schilling, im Moment Single.
„Und ich dachte, erst kommt die Arbeit und dann das Vergnügen“, sagte Martin mit anzüglichem Grinsen.
„Meine Lieben, ich bringe euch Arbeit“,
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