Canard Saigon (German Edition)
Marc litt mit. Er seufzte bei dem Gedanken an seinen Sohn und nahm sich vor, erneut für ihn einzutreten, sollten Schwierigkeiten mit seinen Lehrern aufgetreten sein. Im nächsten Moment keimte Ärger in Marc auf, als ihm der Kirchenbeitrag einfiel. Jedes Jahr derselbe Zirkus, dachte er, als hätte ich nichts Besseres zu tun. Allein die Vorstellung, mit dem Einkommensteuerbescheid bei der Kirchensteuerstelle vorstellig zu werden, kotzte ihn an. Ich sollte aus der Kirche austreten, dachte Marc, dann wäre ich den Scheiß los.
Was es mit dieser Nachzahlung an das Finanzamt auf sich hatte, konnte er sich nicht erklären. Innerhalb der nächsten 14 Tage musste er herausfinden, worum es ging. Da war wohl ein persönliches Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter notwendig. Marc ärgerte sich. Die Alltagsprobleme nahmen derart überhand, dass er auch ohne Job genügend zu tun hätte, um den täglichen Wahnsinn zu bewältigen.
Die U-Bahn-Station Rennbahnweg tauchte in seinem Sichtfeld auf. Der Anblick riss ihn aus seinen Gedanken. Er hatte zwei Morde aufzuklären, und während er den Wagen einparkte, konzentrierte sich Marc wieder auf seinen Job. Er stieg aus und ging in die Station. Auf Anhieb fand er den Weg zum Bahnsteig, wo Martin Schilling und Nicole Sandmann auf ihn warteten.
„Ich habe mit Frau Meisner telefoniert“, berichtete Nicole. „Das Ehepaar Klein hat sich noch nicht gemeldet, aber sie glaubt, dass ihre Tochter sie heute noch kontaktieren wird. Sie hat mir versprochen, mich sofort nach dem Anruf zu benachrichtigen.“
„Ausgezeichnet“, sagte Marc. „Ich hoffe, dass wir den Doktor morgen befragen können.“
„Glaubst du, dass er mit den Morden zu tun hat?“, fragte Martin.
„Keine Ahnung“, sagte Marc und zuckte mit den Achseln. „Er hatte jedenfalls mit mindestens einem der Mordopfer zu tun. Wir werden sehen.“
Der Lärm der einfahrenden U-Bahn unterbrach das Gespräch. Marc blickte auf seine Uhr. Exakt dieselbe Zeit wie am Dienstag, dachte er zufrieden. Für ihn war es wichtig, einen Lokalaugenschein zu denselben Bedingungen durchzuführen, die zur Tatzeit gegeben waren. Die drei Ermittler folgten dem Menschenstrom, der die U-Bahn verlassen hatte und sich Richtung Ausgang bewegte. Martin notierte die Gehzeiten. Sie verließen die Station und wandten sich auf dem Gehsteig der Wagramer Straße nach rechts. Auf diesem Straßenabschnitt gab es keine Haltemöglichkeit für Kraftfahrzeuge. Sie folgten dem Straßenverlauf und bogen nach 400 Metern in die Lieblgasse ein. Wachsam, auf jede Kleinigkeit achtend, schritten die Polizisten den Heimweg von Maricela Rodriguez ab. Sie hatten im War Room die Straßenkarte studiert. Erst nahmen sie den direkten Weg. Sie gingen die Lieblgasse hinunter und bogen nach links in die Silenegasse ein. Am Wohnblock von Maricela angekommen, begaben sie sich zum Hinterausgang. Den Rückweg nahmen sie über die Maculangasse, eine Parallelstraße zur Lieblgasse. Nach 300 Metern bogen sie in die Puchgasse ein, die in die Lieblgasse mündete. Sie hatten etwa 100 Meter der rund 250 Meter langen Gasse zurückgelegt, als Marc Vanhagen stoppte. Er drehte sich um, besah sich die Umgebung und ging auf die andere Straßenseite. Dort blieb er wieder stehen und beobachtete konzentriert die Umgebung.
„Was ist euch aufgefallen?“, fragte Marc seine Kollegen, die ihm gefolgt waren.
„Auf der rechten Seite der Lieblgasse stehen hohe Bäume, und einige Meter nach hinten versetzt reihen sich fünfstöckige Wohnblöcke aneinander“, sagte Martin. „Auf der linken Seite befinden sich ausschließlich betrieblich genutzte Gebäude. Die Straßenbeleuchtung ist ausreichend, um gut zu sehen. Aber nur eine Handvoll Fußgänger und wenige Autos sind unterwegs.“
„Links und rechts der Fahrbahn sind Autos abgestellt, aber es gibt auch einige Parklücken“, ergänzte Nicole. „Das heißt, dass viele Menschen in diesen Betrieben arbeiten und nach Dienstschluss mit dem Auto nach Hause fahren. Die Silenegasse ist eine gut beleuchtete Wohnstraße mit regem Fußgängerverkehr.“
„Die Maculangasse führt durch reines Gewerbegebiet, ist aber sehr gut beleuchtet“, sagte Martin. „An den Eingangstoren von zwei Firmen sind mir Überwachungskameras aufgefallen.“
Marc nickte zustimmend. „Ich sehe zwei Möglichkeiten. Maricela Rodriguez kann freiwillig in ein Auto gestiegen sein, aber dann muss sie den Fahrer gekannt haben. Oder sie wurde überfallen und gewaltsam in ein
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