Canard Saigon (German Edition)
Schilling und Nicole Sandmann um ihren Bericht. Die beiden Ermittler zückten ihre Notizblöcke.
„Großer, starker Mann, presch du voran, pack es an!“, sagte Nicole schelmisch.
„Gern, meine Liebe, aber du musst dich bis nach der Sitzung gedulden“, konterte Martin lächelnd.
„Wir waren im Kropfspital“, begann er mit seinem Bericht. „Das Maria-Theresia-Spital ist führend in der Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen. Maricela Rodriguez galt als tüchtige Krankenschwester, die in der Chirurgischen Ambulanz ihren Dienst versah. Sie arbeitete in der Strumaambulanz und war zuständig für die postoperative Nachsorge nach Eingriffen an der Schilddrüse. Am Dienstag hatte sie normalen Tagdienst und anschließend zwei Unterrichtsstunden in der Krankenpflegeschule. Laut Stechuhr hat sie das Spital um 21.17 Uhr verlassen. Mittwoch und Donnerstag hätte Maricela ihre freien Tage gehabt. Der Mann auf den Fotos, die mir Johannes gesendet hat, ist Dr. Richard Klein.“
„Zu diesem Arzt habe ich einige Informationen“, unterbrach Johannes Schmied und las von einem Computerausdruck ab. „Dr. Richard Klein, 34 Jahre alt, verheiratet, ein Sohn. Seine Frau heißt Helene, ist 28 Jahre alt, eine geborene Meisner. Der Sohn heißt Peter und ist sieben Jahre alt. Die Familie Klein wohnt in einer Villa in der Hasenauerstraße, die sich im Besitz von Max Meisner, dem Vater von Helene Klein, befindet. Das Ehepaar ist seit acht Jahren verheiratet. Auf den Namen Dr. Richard Klein ist ein Jaguar XF, auf den Namen seiner Frau ein Mercedes GLK 220 angemeldet. Richard Klein wuchs als unehelicher Sohn von Martha Klein in Sollenau auf. Nach dem Reifezeugnis studierte er Medizin und promovierte im Jahr 1999 an der Universität Wien. Im selben Jahr erhielt er eine Anstellung im Maria-Theresia-Spital, wo er eine Ausbildung zum Facharzt absolvierte. 2007 bekam er das Facharztdekret für Chirurgie der Österreichischen Ärztekammer. Im Februar dieses Jahres folgte das Facharztdekret für Strumachirurgie.“
„Und er ist der heißeste Kandidat für den Posten des Oberarztes, der im Juli neu besetzt wird“, warf Nicole ein. „So pfeifen es die Spatzen vom Dach des Spitals.“
Marc runzelte die Stirn. Alle Achtung, dachte er, unser Herr Doktor hat eine Bilderbuchkarriere. Er fühlte sich unbehaglich.
„Hat noch jemand das Gefühl, in einem schlechten Film mitzuspielen?“, ätzte Marc. „Die Geschichte trieft vor Klischees. Uneheliches Kind aus ärmlichen Verhältnissen arbeitet sich hoch, heiratet reich, macht Blitzkarriere, findet wahre Liebe unter unglücklichem Stern, was zum Teufel erwartet uns da noch? Mir ist jetzt schon zum Kotzen. Habt ihr mit dem Superdoktor gesprochen?“
„Leider nicht“, antwortete Martin. „Klein hatte von Montag ab sieben Uhr bis Dienstag um 15 Uhr Dienst. Mittwoch hatte er frei. Am Donnerstag operierte er von sieben bis 13.30 Uhr. Von heute bis Sonntag hat er frei und ist erst wieder am Montag um sieben Uhr eingeteilt. Laut Kollegen ist er mit seiner Frau auf Kurzurlaub. In dieser Zeit ist er für niemanden erreichbar. Die Handys werden abgeschaltet, das Reiseziel wird geheim gehalten.“
„Was ist mit dem Sohn?“, fragte Marc.
„Der hält sich bei den Großeltern auf“, antwortete Martin. „Zumindest war das während der letzten Kurzurlaube so.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ehepaar Klein keinen Kontakt zu seinem Sohn hält. Setzt euch mit den Großeltern in Verbindung. Sie sollen euch entweder sagen, wo wir den Doktor erreichen, oder ihn bitten, sich dringend mit uns in Verbindung zu setzen.“
„Alles klar, das erledige ich sofort nach unserer Sitzung“, sagte Nicole.
„Bist du fertig, Schatz?“, fragte sie Martin, der wortlos nickte. „Gut! Ich habe mit verschiedenen Personen gesprochen. Die Nachricht vom Mord an ihrer Kollegin hat die Belegschaft des Spitals hart getroffen. Maricela Rodriguez wurde wegen ihres Fleißes und ihres Könnens geschätzt. Über ihr Privatleben wurde gemunkelt, dass sie ein Verhältnis mit Klein hatte. Näheres konnte ich erst von Ruth Enke, ihrer Arbeitskollegin und besten Freundin, erfahren. Maricela war unsterblich verliebt in Klein. Zwei Jahre lang träumte sie von Hochzeit, Kindern und gemeinsamer Zukunft. Sie hatte außer zu Ruth und zu ihrem Lover praktisch keine sozialen Kontakte. Seit etwa einem Jahr klagte sie über die kühler werdende Beziehung zum Doktor. Sie fragte immer wieder, ob sie etwas falsch mache, und wirkte
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