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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Choreograf.«
    »Ja, okay   … aber sie muss doch lügen, oder? Sie wird wohl kaum rumgehen und jedem erzählen, dass sie eine Prostituierte ist.«
    »Braucht sie wahrscheinlich auch nicht.«
    »Was soll
das
denn heißen?«, fragte ich sauer.
    »Nichts   … tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen sollen.«
    »Gott«, seufzte ich. »Ich dachte,
du
würdest das verstehen.«
    Gina reckte sich zwischen den Sitzen hindurch nach hinten und legte mir die Hand aufs Knie. »Entschuldigung, Joe   … es ist nur   … na ja, das ist hart. Ich meine, es ist schwierig. Schließlich bin ich deine Schwester   …«
    »Ja.«
    »Ich bin einfach ein bisschen schockiert.«
    »Ich auch.«
    Sie lächelte sanft und drückte mein Knie. Wir sahen uns an, spürten die Nähe zwischen uns und mein Zorn legte sich wieder, so plötzlich, wie er aufgeflammt war. Ich verliere nicht oft die Geduld und ich weiß nicht, warum es diesmal passiert war. Ich vermute, ich war einfach enttäuscht von Gina – über die Art, wie sie Candy runtermachte, gehässige Bemerkungen vom Stapel ließ und dämliche Schlüsse zog.
    Ich habe keine Ahnung.
    Vielleicht war es ja auch zu viel verlangt, aber ich wollte einfach, |166| dass jemand verstand, wie ich mich fühlte.
    »Bist du okay?«, fragte Gina leise.
    Ich nickte.
    Wir fuhren eine Zeit lang schweigend weiter, alle drei in unsere Gedanken verloren, dahintreibend in dem Gebrumm des Motors und dem hypnotisierenden Vorbeijagen der Straße. Während ich durch die sich schlängelnden Regenlinien auf der Scheibe blickte, wunderte ich mich über die Kette der Ereignisse, die uns alle zusammengebracht hatte – mich, Candy, Gina, Mike, Iggy. Wie war das möglich? War es Schicksal? Karma? Bestimmung? Hatte es irgendetwas zu bedeuten? Oder passierte es einfach nur, wie alles andere auch passiert?
    Worin liegt der Unterschied?
, überlegte ich.
Egal wie es passiert ist, es ist einfach passiert, oder?
    Ich schaute auf und sah, wie Mike mich im Rückspiegel beobachtete. Ich nickte ihm zu.
    Er nickte zurück, dann räusperte er sich und sagte: »Der große Typ im Club   … das war Iggy, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Was ist mit den andern?«
    »Ich weiß nicht. Ich hab sie schon vorher im Pub auf der andern Straßenseite gesehen. Ich glaub, es könnten die Typen aus dem McDonald’s gewesen sein – sie waren dort, als ich Candy zum ersten Mal traf.«
    Er nickte.
    »Ich hab sie im Pub reden hören   … sie waren auf der Suche nach jemand.«
    »Nach Candy?«
    »Ich hab keine Namen gehört, aber ich nehme an, dass sie gemeint |167| war.«
    Mike nickte wieder. »Sie haben sie gefunden, Iggy angerufen und dann ist er gekommen, um sie zu holen. Woher wussten sie, wo sie war?«
    »Keine Ahnung. Ich hab ihr ein Plakat von dem Auftritt gegeben   … vielleicht hat sie es irgendwo rumliegen lassen und Iggy hat es gefunden.« Ich schaute auf Mikes Augen im Spiegel. »Was, glaubst du, wird er mit ihr machen?«
    »Keine Ahnung. Nicht viel vermutlich. Sie arbeitet für ihn. Er wird nichts unternehmen, was sie dran hindert, Geld   …« Er sah mich wieder an. Ich nickte, um ihm zu sagen, dass ich verstand, was er meinte. Ich wusste es zwar nicht wirklich, aber ich nahm an, er wollte sagen, Iggy würde sie nicht allzu schlimm zurichten – jedenfalls nicht da, wo man es sah.
    »Gibt es irgendwas, was wir tun können, um ihr zu helfen?«, fragte ich ihn.
    »Zum Beispiel?«
    »Ich weiß nicht   … die Polizei anrufen?«
    »Bringt nichts«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht, wo sie wohnt, wir wissen nicht, wo Iggy wohnt. Und selbst wenn, könnte die Polizei nicht viel machen – es sei denn, Candy würde gegen ihn klagen. Aber das wird sie nicht tun, weil sie ihn braucht. Sie ist abhängig und er versorgt sie mit Drogen. Abgesehen davon ist es ja nicht so, dass er sie einsperrt oder irgendwas in der Art. Sie wird wahrscheinlich ihre eigene Wohnung haben und nichts deutet dort darauf hin, dass es eine Verbindung zwischen ihr und Iggy gibt – dafür wird er schon gesorgt haben. Er weiß, was passiert, wenn die Polizei sie erwischt. Sie halten sie ein, zwei Tage lang fest, dann lassen sie sie wieder frei – und sie marschiert |168| sofort zu ihm zurück.«
    Ich wollte es nicht glauben, aber ich wusste, er hatte Recht.
    »Was ist mit ihren Eltern?«, fragte mich Gina. »Ich meine, hast du eine Ahnung, wo sie herkommt oder so?«
    »Aus Heystone, ob du’s glaubst oder nicht«, sagte ich. »Das hat sie mir

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