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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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jedenfalls erzählt. Sie hat gesagt, sie hätte Probleme mit ihren Eltern gehabt und wär von zu Hause abgehauen, um in London zu leben. Ich glaube, sie wohnt irgendwo in der Nähe von King’s Cross.«
    »Aber du weißt nicht, wo?«
    »Nein.«
    »Die Telefonnummer?«
    »Nichts – tot. Abgestellt oder so.«
    Gina schaute auf einmal besorgt, doch ich wusste nicht, ob besorgt um mich oder besorgt um Candy. Ich hoffte, es war von beidem ein bisschen.
    Sie drehte sich zu Mike. »Bist du sicher, dass wir nichts tun können?«
    »Ich kann mich mal umhören«, sagte er, »schauen, ob irgendwer irgendwas weiß. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das was bringt, wenn sie abhängig ist   …« Er zuckte die Schultern. »Sie wird ihn nicht verlassen – sie
kann
nicht. So läuft das nun mal.«
     
    Der Rest der Fahrt verlief still. Gina sprach ab und zu sanft mit Mike und gelegentlich schaute sie zu mir nach hinten und fragte mich, ob ich okay sei. Davon abgesehen war es eine Zeit des Schweigens. Der Regen hatte wieder angefangen, er schlug leise aufs Autodach. Das Geräusch machte mich müde. Ich wollte nicht müde sein, ich wollte nachdenken, aber meine Augen waren so |169| schwer   … mein Kopf so dumpf, mein Körper so leer   …
    Ich konnte nicht denken.
    Konnte mir nicht vorstellen   …
    Und vielleicht war es ja auch das Beste.
    Denn Candy war irgendwo   … tat irgendwas   … und egal wie sehr ich versuchte nachzudenken, egal wie sehr ich mich bemühte, mir vorzustellen   …
    Es gab nichts, womit ich ihr hätte helfen können.
     
    Gegen Mitternacht kamen wir zu Hause an. Dad war unterwegs, das Haus war still und es regnete immer noch.
    Gina nahm Mike mit in die Küche und versorgte sein misshandeltes Gesicht – wischte das Blut ab, desinfizierte die Wunden, untersuchte seinen Kopf nach unsichtbaren Verletzungen. Ich sah ihnen eine Weile zu, aber dann schien es mir immer mehr so, als würde ich zu sehr in ihre Sphäre eindringen.
    »Ich glaube, ich verschwinde mal ins Bett«, sagte ich.
    »Willst du nicht noch einen Tee?«, fragte Gina.
    »Nein   … ich bin echt müde.« Ich sah Mike an. »Tut mir wirklich Leid, das alles.«
    »Ist nicht deine Schuld«, sagte er freundlich. »Scheiße passiert eben.«
    »Tja, muss wohl   …«
    »Hey, mach dir nicht zu viele Sorgen, okay? Im Moment kannst du gar nichts tun   … und wahrscheinlich passiert ihr sowieso nichts.«
    »Meinst du?«
    »Ja.«
    Ich nickte. Nicht dass ich ihm glaubte, aber es war nett von ihm, |170| dass er sich die Mühe gab.
    »Pass auf«, sagte er, »ich werd tun, was ich kann, einverstanden? Wie gesagt, ich hör mich um und schau, was ich rausfinden kann. Wenn ich was höre, lass ich’s dich wissen, okay?«
    »Ja, danke.«
    Er nickte.
    Ich sagte Gute Nacht und ging nach oben. In meinem Zimmer versuchte ich noch einmal Candy anzurufen, aber es gab immer noch keinen Ton – nur ein Ohr voll Leere. Ich zog mich aus und machte das Licht aus, legte mich aufs Bett, starrte in die Dunkelheit und versuchte zu schlafen. Mein Körper tat weh vor Müdigkeit. Meine Glieder waren taub. Meine blinden Augen wurden verrückt von lauter Lichtern.
    Ich sehnte mich nach Vergessen.
    Aber ich würde nicht vergessen.
    Ich glaubte, nie wieder schlafen zu können.

|171| 10.   Kapitel
    M it das Schlimmste, wenn man sich hilflos fühlt, ist das ständige Hereindringen von Zweifeln. Selbst wenn du weißt, dass du an einer Sache nichts ändern kannst, selbst wenn du dir absolut sicher bist, selbst wenn du jede noch so geringe Möglichkeit immer und immer wieder durchdacht hast und ganz genau weißt, du vergeudest nur Zeit   … selbst dann kannst du nichts dran ändern, dass du so ein Gefühl hast, als wärst du im Unrecht.
    Es muss doch
irgendwas
geben, was du tun kannst.
    Bestimmt   …
    Es
muss
etwas geben   …
    So war es zumindest bei mir. Ich wollte etwas tun wegen Candy. Ich
musste
etwas tun. Aber was? Was konnte ich tun?
    Das fragte ich mich immer wieder.
    Was kann ich tun?
    Ich weiß nicht, wo sie steckt   …
    Wie kann ich etwas tun, wenn ich nicht weiß, wo sie steckt?
    Wie soll ich sie finden?
    Was kann ich tun?
    Es muss etwas geben   …
    Aber es gab nichts. Egal wie sehr ich mich bemühte, ich hatte |172| keine Idee. Doch das hielt mich nicht davon ab nachzudenken. Selbst wenn ich es gewollt hätte, ich hätte mit dem Nachdenken nicht aufhören können. Nachdenken, nachdenken, nachdenken   … nachdenken über Candy   … den ganzen Samstag, den

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