Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Hauseingängen sitzen und uns weniger wert fühlen als der durchschnittliche Nachttopfinhalt, während wir untätig die Hände in den Schoß legen – in Italien wimmelt es von Frauen wie uns. In jedem toskanischen Hügelstädtchen gibt es mindestens zwei Dutzend davon. Das ist der Fluch des hohen Alters! Aber ich habe beobachtet, wie ihr alten Kratzbürsten eure Kräfte einsetzt für das Gute, nicht für das Böse, und was soll ich sagen – es gefällt mir. Also, nehmt mich auf! Mag sein, dass mir mein eigenes Glück entrissen wurde von den riesigen Schwitzhänden eines vollkommenen und ewigen Versagers, aber wenn ich dazu beitragen kann, jemand anderem zu seinem Glück zu verhelfen, dann werde ich das tun. Es ist das, was Eduardo gewollt hätte.«
In diesem Moment kam die Witwe Rossellini mit einem lauten Schnarchen zu sich. »Ich fühle mich nicht so gut«, sagte sie.
»Du hast auch keine gute Gesichtsfarbe«, pflichtete ihre Sitznachbarin ihr bei.
»Sie fühlt sich schon seit ein paar Wochen nicht besonders gut«, bemerkte eine.
»Ihre Tochter versucht seit Monaten, sie zu überreden, dass sie in die Mikrowelle geht«, flüsterte eine andere.
»In die Mikrowelle?«, fragte Fiorella.
Die Witwen verstummten. »Die Mikrowelle« war ihre Umschreibung für den glänzenden Klinikkomplex, der erst vor ein paar Jahren gebaut worden war, ein paar Kilometer südlich der Stadt. Er ragte in der ursprünglichen Landschaft heraus wie ein funkelndes modernes Küchengerät, und sobald Frauen ihres Alters hineingingen, wurden sie geschrumpft und, falls sie nicht ganz verschwanden, kamen sie als ein Schatten ihres früheren Ichs wieder heraus – wenn sie Glück hatten. Die, die kein Glück hatten, kamen als ein Schatten ihres früheren Ichs heraus minus einem Arm, wie gemunkelt wurde, oder minus einer Brust oder minus einem inneren Organ. Die, die sogar noch weniger Glück hatten, tauchten nie wieder auf.
Frauen ihres Alters taten alles, um nicht in die Mikrowelle gehen zu müssen.
»Sie sollte einfach mal ein, zwei Wochen das Bett hüten. Dann kriegt sie auch wieder Farbe im Gesicht«, sagte die Sitznachbarin. »Ich bringe sie nach Hause und bleibe eine Weile bei ihr.«
»Ich helfe dir«, sagte eine andere, da die Witwe Rossellini in der Tat sehr wacklig auf den Beinen stand.
»Ich auch«, rief eine Dritte.
»Tja, sieht so aus, als würde es doch einen freien Platz geben«, sagte Fiorella fröhlich, während der Raum sich zu leeren begann, und bevor Violetta ihr auf die altmodische Art die Leviten lesen konnte für diese taktlose und rücksichtslose Bemerkung, kam Luciana ihr zuvor mit ungewohnter Dreistigkeit.
»Ja, zumindest vorübergehend, wie es scheint«, sagte sie. »Fiorella Fiorucci, möchtest du als Mitglied in unsere Liga aufgenommen werden?«
»Und ob ich will«, lautete die Antwort. »Aber habt ihr hier noch etwas anderes zu essen als diese Cantucci? Ich habe mir vorhin ein paar vom Tisch gemopst. Die schmecken grauenhaft. Was tut ihr da rein, Zement? Die kriegt man auch mit dem Vin Santo der ganzen Christenheit nicht weich, das kann ich euch sagen.«
Sie entfernte sich, um sich den letzten Rest Vin Santo zu genehmigen, während Violetta sich verärgert zu ihrer Schwester umdrehte.
»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?«, fragte sie.
»Ich habe mir gedacht, sie hat das gewisse Etwas«, antwortete Luciana.
»Das hat sie«, bekräftigte Violetta. »Aber es ist das falsche Etwas.«
7
Die Last-Minute-Schwierigkeiten, um so kurzfristig aus ihrem Leben auszusteigen, waren viel mehr Arbeit, als Lily erwartet hatte. Es war fast zeitaufwendiger, ihren prallen Terminkalender zu canceln, als ihn zu füllen.
Glücklicherweise beinhaltete der trunkene Tourismus die Business Class. Während des Flugs döste Lily unruhig mit Hilfe von mehr Champagner, als ihr zustand, aber als sie im verregneten Rom landete, war sie trotzdem müde und bestürzt, dass sie einen wichtigen Aspekt ihrer Reise nach Italien übersehen hatte, nämlich dass hier jeder Italienisch sprach.
Sie verstand nicht nur kein einziges Wort, sondern auch nicht die Gesten, was bestimmt der Grund war, dass sie den kleinsten Mietwagen der Welt bekam. Es war ein Fiat 500, aber 500 von was?, fragte sie sich. Sie hatte noch nie ein so kleines Auto gesehen. Es hatte die Größe eines Turnschuhs. Ihr Gepäck passte mit Ach und Krach in den winzigen Kofferraum, und sie musste den Sitz ganz nach hinten schieben, um ihre langen Beine
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