Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
schien schon lange her zu sein, dass sie so gelacht hatte. Inzwischen waren Daniel und sie so ernst und erwachsen geworden und so beschäftigt, dass sie in eine leise, sachliche Routine gefallen waren.
Vielleicht lief das nach sechzehn Jahren Ehe so. Vielleicht machte sich niemand mehr fast in die Hose nach dem ersten Anfall von Verliebtheit.
»Fahren Sie geradeaus«, sagte Dermott in seinem fröhlichen irischen Akzent, was Lily so sehr verwirrte, dass sie den Motor abwürgte.
Sie drehte den Schlüssel im Zündschloss, aber es gelang ihr nicht, den Wagen zurück auf die Straße zu setzen, und so blieb sie stattdessen in der Grasböschung stehen. Eine schimmernde nasse Hecke mit glänzenden Blättern und kleinen roten Blüten drückte gegen das Beifahrerfenster.
Sachliche Routine war sicher nicht das, was sie sich von ihrer Zukunft versprochen hatte, als sie und Daniel die Flitterwochen im Bett verbrachten und Wein tranken und Käse naschten direkt aus der Verpackung, ohne für ein Messer aufzustehen. Sie hatte sich Liebe gewünscht, Glück, Lachen, Freude. All die Dinge, die sich jeder erhoffte von einer Heirat.
Sie hatte sich Kinder gewünscht, eine Familie.
Alles schien zu Beginn so perfekt in Reichweite zu liegen. Sie hatten kein Geld und wohnten im fünften Stock ohne Aufzug in einem Haus, das furchtbar nach Schimmel und Mottenkugeln stank, aber sie hatten all diese großartigen Träume. Das war damals ihr Reichtum: ihre grenzenlose Hoffnung, ihr elektrisierendes Potenzial.
Die Babys waren schuld. Diese lächelnden, rosigwangigen, pummeligen, süß duftenden Babys, mit denen sie nie gesegnet worden war. Ihre Abwesenheit hatte ihr einfach das fast in die Hose machende Glücklichsein genommen. Darum war auch das Lachen verschwunden.
Der Regen fiel auf ihre Windschutzscheibe in gläsernen Vorhängen, die die Scheibenwischer auf- und zufegten. Draußen rollte ein dichter Nebel über die Felder auf sie zu. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht einmal einen Schirm dabeihatte. Das hier hätte genauso gut Washington sein können.
Toskana? Es war schwer zu erkennen, warum alle so davon schwärmten. Und was versprach sie sich überhaupt von ihrem Besuch in Montevedova? Würde Daniel jetzt vor ihr stehen, war sie sich nicht ganz sicher, was sie mit ihm tun würde. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie das Gespräch beginnen würde, geschweige denn enden. Es war alles so unzivilisiert.
Sie war nicht ganz bei Trost, hierherzukommen ohne einen Plan.
Normalerweise machte Lily nicht einmal ein Auge auf ohne einen Plan. Seit sie ein kleines Mädchen war, wusste sie gerne, was sie erwartete. Das hatte Rose immer wahnsinnig gemacht, so lange Lily zurückdenken konnte. »Lass uns doch einfach abwarten, was passiert«, hatte Rose mehr als einmal zu ihrer älteren Schwester gesagt, mehr als ein Dutzend Mal, wahrscheinlich mehr als hundertmal. »Versuch, dich mit dem Strom treiben zu lassen, Lily.«
Aber Lily traute dem Strom nicht. Er nahm erschreckende Biegungen und bedrohliche Windungen. Sie vermutete, dass ihre Mutter schuld daran war. Dass man von einem Tag auf den nächsten nie wissen konnte, wie es um Carmels Laune bestellt war, hatte Lily schon in frühem Alter gestört. Kaum war sie dahintergekommen, dass die Ergebnisse vorhersehbarer waren, wenn man die Situation kontrollieren konnte, begann sie, die Situation zu kontrollieren.
Nichts in Lilys Erwachsenenleben ereignete sich einfach so. Sie hatte alles orchestriert: das Stipendium an der Eliteuniversität, den Businessabschluss in Yale, den guten Job, den attraktiven Mann, das Spitzengehalt. Selbst die Aussicht aus ihrer Wohnung in der zweiundsiebzigsten Straße deckte sich weitgehend mit der, die sie sich ausgemalt hatte. Sie musste nur innerhalb des von ihr vorherbestimmten Zeitrahmens gefunden und erworben werden.
Der einzige Traum, den sie nicht hatte wahrmachen können, waren ihre drei wunderschönen Kinder: Edward, nach Daniels Vater; Rose, nach Rose und dann entweder Amelia oder Angus, je nachdem.
Sie hatte diesen Plan genauso eifrig verfolgt wie alles andere, wenn nicht sogar eifriger. Sie hatte es versucht mit künstlicher Befruchtung, Eizellenspenden, Leihmutterschaft und – schließlich – einer Adoption. Lily biss sich auf die Unterlippe und schüttelte die Erinnerung ab. Es spielte keine Rolle, weil letzten Endes alles nichts gebracht hatte.
Das heftige Rat-a-tat-tat, als jemand an ihre Scheibe klopfte, katapultierte sie blitzschnell zurück in die
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