Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Gegenwart. Nervös hantierte sie herum, um das Fenster zu öffnen, erwischte aber zunächst den Schalter für die Zentralverriegelung, dann den für das Beifahrerfenster, bevor sie schließlich den richtigen fand.
»Fahren Sie geradeaus«, zwitscherte Dermott, der sich bis dahin in überhebliches Schweigen gehüllt hatte. »Fahren Sie geradeaus.«
Nervös sah Lily hoch zu einem Italiener, der ungefähr in ihrem Alter war und sich zu ihr herabbeugte unter einem riesigen weißen Schirm. Seine Haare waren lockig und schulterlang, die Augen braun und groß und seine Wimpern so dicht und lang, dass sie an einem Supermodel nicht auffallen würden, aber in seinem kantigen und leicht unrasierten Gesicht schon. Er war attraktiv, obwohl er ein paar Kilo zu viel hatte, und er strahlte eine intensive Ernsthaftigkeit aus.
»Ich habe gesehen, dass Sie angehalten haben«, sagte er auf Englisch mit einem starken Akzent, aber einwandfrei verständlich. »Gibt es ein Problem?«
Er trug ein weißes Leinenhemd, das gesprenkelt wurde von Regentropfen, die von seinem Schirm abprallten und feuchte Stellen bildeten, die an seiner Haut klebten.
»Tut mir leid«, sagte Lily und stellte zu ihrer Verlegenheit fest, dass ihre Stimme zitterte. Diese Babys. Diese elenden verlorenen Babys. »Ich komme gerade aus Rom, und ich kenne mich hier auf diesen kleinen schmalen Straßen nicht aus. Ich bin an die Seite gefahren, um … Nun ja, da war ein … Behindere ich Sie?«
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und sah seinen Wagen – ein schwarzer Range Rover –, der hinter ihr stand, mit eingeschaltetem Warnblinklicht. Es war nicht ihre Schuld, dass der Mann einen großen Geländewagen fuhr, mit dem er nicht an ihr vorbeikam. Trotzdem hatte er recht, sie musste weiter. Sie konnte hier nicht ewig bleiben.
»Ich fahre sofort weiter«, sagte sie und drehte wieder den Anlasser, obwohl der Motor bereits lief, was ein furchtbares Geräusch erzeugte und sie genauso verwirrte wie die Scheiben.
»Fahren Sie geradeaus«, wiederholte Dermott.
»Oh, tut mir wirklich leid«, sagte Lily zu dem Mann. »Wirst du wohl die Klappe halten?«, fuhr sie Dermott an. »Ich wollte sowieso geradeaus fahren.«
Der Mann lachte, und vielleicht weil sie gerade noch das fehlende Lachen in ihrem jüngsten Leben bedauert hatte, ging es ihr auf den Keks.
»Ja, sehr lustig, aber wenn Sie mich nun entschuldigen, ich muss weiter«, sagte sie und nahm den Fuß von der Kupplung, wodurch sie den Motor wieder abwürgte.
Dermott war schlau genug, die Klappe zu halten, aber der langhaarige Italiener war nicht auf Lily abgestimmt wie ihr Navigationsgerät.
»Ich glaube, Sie sind eine Dame in Not und benötigen meine Hilfe«, sagte er.
»So etwas wie Damen in Not gibt es eigentlich nicht dort, wo ich herkomme«, sagte Lily und schenkte ihm ein freundliches Lächeln. »Wirklich, ich komme zurecht, alles in Ordnung. Ich habe mich nicht verfahren, sondern nur eine kurze Pause eingelegt. Außerdem habe ich ja noch meinen irischen Freund hier, der mir hilft. Wenn das die Straße nach Montevedova ist, was sie meiner Meinung nach sein müsste, kann ich gar nichts falsch machen. Ich muss nur einfach weiter geradeaus fahren bis zu meinem Hotel, und dann bin ich am Ziel.«
Der Italiener nickte, aber auf eine Art, die nicht gerade den Anschein weckte, als würde er ihr recht geben.
»Alessandro D’Agnello, zu Ihren Diensten«, stellte er sich vor mit einer höflichen kleinen Verbeugung, als hätte Lily ihm nicht gerade erklärt, dass sie seine Hilfe nicht benötigte. »Ich nehme an, dass Sie noch nie zuvor in Montevedova waren.«
»Ach ja? Und warum nehmen Sie das an?«
»Vielleicht können Sie mir sagen, wie Ihr Hotel heißt.«
Er war inzwischen ziemlich durchnässt, fast bis auf die Haut. Die feuchten Stellen hatten sich vereinigt. Lily konnte seine glatte, gebräunte Haut unter dem Leinenstoff sehen.
»Nun, selbst wenn ich mich an den Namen erinnern könnte, was nicht zutrifft, würde ich ihn Ihnen nicht sagen«, erwiderte sie. »Hören Sie, ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen, aber ganz ehrlich, ich benötige Ihre Hilfe nicht. Würden Sie also bitte einen Schritt zurücktreten, damit ich weiterfahren kann?«
Alessandro lächelte sanft und machte einen Schritt rückwärts, wie sie gebeten hatte. »Natürlich. Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Aber vergessen Sie nicht, dass Sie in Montevedova nicht fahren dürfen. Autos sind dort nicht erlaubt.«
Lily nahm wieder den
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