Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
war, dass er fast geweint hätte. »Ich weiß nicht, wie das mit dir ist, aber ich brauche jetzt unbedingt einen Kaffee.«
Er begann, den Kopf zu schütteln, aber eigentlich, wenn er genauer darüber nachdachte, spürte er Hunger. Und er war sich nicht sicher, ob er Lust hatte auf Ingrids Gesellschaft, aber genauso wenig, ob er lieber alleine sein wollte. Statt zu sagen, dass er vielleicht ein paar Eier nehmen würde und eine Bloody Mary, kam jedoch etwas ganz anderes aus seinem Mund.
Er war ins Schwimmen geraten, nicht nur in diesem Hotelzimmer, sondern überall. In seinem Leben. Er ertrank in seinem Leben, und er konnte niemandem die Schuld dafür geben außer sich selbst, ohne Hoffnung auf Rettung.
Was er dieser Frau sagen wollte, dieser Ingrid mit ihrem unbekümmerten Charme und dem warmen Lächeln, war, dass er es für eine gute Idee halte zu frühstücken, aber stattdessen begann er zu schluchzen, verzweifelt und unkontrolliert, wie ein Kind. Wie ein Baby.
Ingrid reagierte keineswegs befremdet. Sie besaß eine gute Menschenkenntnis und fand, dass Daniel kein schlechter Kerl war. Sie machte sich Sorgen um ihn. Und das Schluchzen störte sie nicht so sehr, sie war es gewohnt, erwachsene Männer weinen zu sehen. Sie hatte drei Söhne, mittlerweile alle über zwanzig, von denen jeder eine »sensible« Seite besaß.
Sie griff nach Daniels Hand, führte ihn zurück ins Zimmer, setzte ihn auf die Couch, schlang die Arme um ihn und tat so, als wäre er einer ihrer Söhne. Es war das, was sie sich für jeden ihrer Jungs wünschte, jemanden, der sie tröstete, wenn sie so unglücklich waren.
18
» Was ist da drinnen los?«, fragte Luciana, während sie sich hinter Violetta stellte, die das Ohr an die Tür zur Pasticceria drückte. » Kannst du hören, worüber Lily mit dem kleinen Mädchen redet?«
»Nein, kann ich nicht. Nicht, wenn du wie ein Nebelhorn hinter mir herumtrötest«, schimpfte Violetta. »Diese Ohren sind fast hundert Jahre alt. Sie sind müde, also übe etwas Nachsicht mit ihnen.«
»Tja, du könntest dir so ein Dingsbums leisten, mit dem einem nicht das leiseste Geräusch entgeht, wenn du einfach mal darüber nachdenken würdest, was ich vorhin gesagt habe über die Cantucci.«
»Nicht das leiseste Geräusch?« Violetta fuhr erbost herum. »Warum sollte ich mir so was wünschen? Ich will ja nicht einmal die lautesten Geräusche hören, vor allem wenn die meisten davon von dir kommen und du mir Unsinn erzählst über unser Familiengeschäft, oder wenn dieses Junggemüse Fiorella Fiorucci meine Autorität herausfordert, indem sie hirnrissige Fragen stellt!«
»Fiorella kann man wohl kaum mehr als junges Gemüse bezeichnen, Violetta. Sie ist fünfundachtzig. Und sie hat lediglich vorgeschlagen …«
»Ich sage dir, was Fiorella Fiorucci mit ihren Vorschlägen machen kann!«, explodierte Violetta. »Sie kann sie sich dorthin stecken, wo die Sonne nie scheint! Sie macht nur Ärger, diese Frau – ein kleines, dickes und mit dieser Brille praktisch blindes Ärgernis. Wir müssen sie loswerden, und zwar schnell. Sie füttert die Witwe Ercolani mit Verschwörungstheorien wie mit Pfefferminz. Wegen ihr muss die Witwe Mazzetti alle fünf Minuten im Regelbuch nachschlagen, weil sie dauernd was zu beanstanden hat, völlig unbegründet. Sie ist keine von uns, Luciana. Definitiv nicht!«
Luciana zupfte lässig an ihrem Kleidersaum. »Ich denke, sie ist genau das Richtige«, sagte sie. »Außerdem ist sie unterhaltsam.«
»Genau das Richtige? Unterhaltsam? Pah! Was im Namen der heiligen Ana di Chisa ist bloß in dich gefahren?« Sie gab ihrer Schwester mit ihrer krummen Hand einen Schubs gegen die Schulter. »Bisher konnte ich mich immer darauf verlassen, dass du mir den Rücken stärkst, aber seit diese geschwätzige junge Zimtziege aufgetaucht ist, scheinst du dich lieber an sie zu hängen.«
Luciana gab den Schubs direkt zurück. »Sie ist erst gestern aufgetaucht, und ich hänge mich lieber an dich, Violetta«, sagte sie. »Das wird immer so sein. Aber wenn ich es verhindern kann, dass du vom Weg abkommst und eine tiefe Schlucht hinunterstürzt und mich mitreißt, werde ich nicht zögern.«
Der Schmerz in Violettas Brust verstärkte seinen Klammergriff.
»Warum tust du das?«, fragte sie ihre Schwester.
»Was?«
»Dich gegen mich wenden!«
»Ich wende mich nicht gegen dich, Violetta. Ich versuche dir zu helfen. So wie immer.«
»So wie immer heißt, dass du mir zustimmst.«
»So wie immer
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