Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Italien verbringen, aber Lily fand, das war zu weit weg und zu anstrengend nach der mühsamen Aufgabe, die Hochzeit zu organisieren.
Stattdessen fuhren sie zu einem winzigen, romantischen Cottage in Maine, wo das Wetter scheußlich war, aber das hatte sie damals nicht gekümmert.
Als Lily dort am ersten Morgen wach wurde, während der Körper ihres frisch gebackenen, leise schnarchenden Ehemanns sich an sie drückte und der Hochzeitsstress endgültig vorbei war, hatte sie ihre allererste Woge der vollkommenen und grenzenlosen Zufriedenheit erlebt.
Selbst jetzt, all die Jahre später, während sie dasaß und auf das Foto von Daniels unehelichen Kindern starrte, konnte sie sich daran erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. Das Gefühl hatte sie überwältigt, ihr Gänsehaut verursacht, Tränen in den Augen, eine Zufriedenheit im Herzen, die sie im Traum nicht für möglich gehalten hätte.
Sie erinnerte sich, wie sie dagelegen hatte, nackt, während der Regen auf dem Dach über ihr getanzt und sie Daniel im Schlaf beobachtet und in der Hoffnung auf eine wunderbare gemeinsame Zukunft geschwelgt hatte.
Sie waren damals so verliebt gewesen, so glücklich. Sie hatte gedacht, sie wären es immer noch. Verglichen mit vielen ihrer geschiedenen oder unglücklich verheirateten Freunde, waren Lily und Daniel ein Muster an guter, altmodischer Stabilität, trotz des unausgesprochenen Kummers, der sich zwischen ihnen entwickelt hatte. Daniel hatte sie nie anders behandelt als mit Respekt und Hingabe. Er war freundlich, aufmerksam, liebevoll. Und sie war das ebenso. Oder dachte das zumindest. Ihre Hingabe füreinander wurde oft kommentiert und, wie man ihr gesagt hatte, beneidet. Sie war stolz auf ihre Ehe, auf ihn, auf sich.
Sie stand auf, das Foto nach wie vor umklammernd, und stellte sich ans Schlafzimmerfenster, um die Aussicht zu betrachten. Wenn sie sich an die äußerste Scheibe lehnte, konnte sie hinunter auf die zweiundsiebzigste Straße blicken bis zum Central Park. Die Bäume schimmerten an diesem Morgen in der sanften Sommerbrise. Normalerweise liebte sie diese Bäume. Sie liebte den Park. Sie liebte ihre Wohnung, ihr Leben.
Sie fragte sich, wie lange es her war, dass sie tatsächlich darüber nachgedacht hatte, ob sie Daniel noch aufrichtig liebte. Nach sechzehn Jahren Ehe war das nichts, worüber sie sich oft Gedanken machte. Es gab so viele andere Dinge, über die sie sich Gedanken machen musste. Sie hatte einen vollen Terminkalender und einen alles verzehrenden Job. Wer hatte da schon Zeit, herumzusitzen und über den Zustand seiner Ehe zu grübeln, besonders wenn alles darauf hinwies, dass sie absolut intakt war?
Sie betrachtete wieder die Kirche auf dem Bild.
Sie hatte Daniels Leidenschaft für Italien toleriert, wenn nicht sogar geteilt, besonders was die Küche und den Wein betraf. Und sie hatte ihn mit aller Kraft unterstützt, als er eine Möglichkeit gefunden hatte, seine amateurhafte Begeisterung auf etwas zu richten, das einer Karriere ähnelte. Er hatte sich selbst eine Nische geschaffen als Importeur von italienischen Spitzenweinen, der mutig Brunello und reichhaltigen Vino Nobile einkaufte, die von den Sommeliers in Manhattans beliebtesten Speiselokalen und Bars ausgeschenkt wurden.
Sie wiederum war voll eingespannt bei Heigelmann, sodass sie sich nie Gedanken gemacht hatte, dass er jede vierte Woche in der Toskana verbrachte. Das tat er schon seit zehn Jahren. Zurzeit war er auch wieder dort, höchstwahrscheinlich in Begleitung dieses exotisch aussehenden Wesens und seiner Kinder.
Sie spürte einen körperlichen Schmerz in der Brust und vermutete, es war ihr Herz, das gerade brach. Das Überraschende war allerdings, dass der Schmerz sich nicht ganz neu anfühlte. Tatsächlich fühlte er sich nur allzu vertraut an. Vielleicht konnte ein Mensch nur ein bestimmtes Maß an Schmerz und Enttäuschung verkraften. Vielleicht erreichte man irgendwann einen Punkt, an dem alles andere, alles Schlimme, einfach von einem abprallte, ohne eine Delle zu hinterlassen.
Was Lily am stärksten fühlte– abgesehen von dem einen oder anderen Zittern–, war Leere. Wie passend. Tragisch, aber passend. Leere!
All diese Jahre hatte sie ihren Körper gequält, ihre Seele und dieses arme, wunde Herz– ganz zu schweigen von ihrem Bankkonto–, um ein Kind zu bekommen. Und sie hatte versagt. Sie war es nicht gewohnt zu versagen. Sie hatte damit zu kämpfen. Aber was sie diese dunkle Zeit hatte überstehen lassen,
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