Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
drei Schokoladensorten, in variierenden Dekadenzstärken, die Lilys Aufmerksamkeit weckten.
Drei Gläser Wein wären sogar noch besser, dachte Lily, während sie das Schokotrio musterte.
» Wenn Sie Cioccolata nehmen, können Sie überhaupt nichts falsch machen«, sagte Mario. » Das hier ist auch meine Lieblingssorte: Schokoladeneis mit Schokoladentropfen und Schokoladencrema. Meine Großmutter und ich stellen es selber her, fatto a mano. Das beste Eis in der ganzen Stadt, wenn nicht sogar in der ganzen Toskana.«
Es war falsch, dachte Lily, Triplica di cioccolata zu betrachten und sich stattdessen Wein zu wünschen. Es war überhaupt falsch, Lust auf Wein zu haben, nachdem sie sich in Pienza so schrecklich blamiert hatte. Bei dem Gedanken daran lief es ihr immer noch kalt den Rücken herunter, und sie hatte automatisch das Bild ihrer Mutter vor sich, die am Esstisch eingeschlafen war, während Lily und Rose still ihre angebrannten Makkaroni mit Käse mampften.
» Nun, ich denke, ich nehme die dreifache Schokolade«, sagte sie plötzlich. Es war Jahre her, dass sie Eis gegessen hatte, aber sie wusste nicht, wo sie sonst hingehen sollte, nur wo sie ganz sicher nicht sein wollte, und die Eisdiele gehörte nicht dazu, also warum zum Teufel eigentlich nicht.
Sie setzte sich ans Fenster, während Mario eine riesige Portion von dem köstlich glänzenden Eis herausschaufelte und ihr an den Tisch brachte. Lily führte gerade den ersten Löffel zum Mund, als Francesca, die immer noch ihre schäbigen Flügel trug, den Kopf zur Tür hereinsteckte.
Lilys Herz machte einen Satz– die Kleine hatte so viel von Daniel! Die Ähnlichkeit war wirklich außergewöhnlich. Es waren nicht nur die Augen, die Wangenknochen, das Kinn, sondern auch eine gewisse Zurückhaltung, die untypisch war für attraktive Menschen, das Gegenteil von Arroganz. Das machte Menschen wie Francesca und ihren Vater umso anziehender.
Das Gesicht des Mädchens leuchtete auf, aber Lily war sich nicht sicher, ob wegen ihr oder des gelato .
» Das ist viel zu viel für einen alleine«, sagte Lily zu Mario. » Haben Sie vielleicht einen zweiten Löffel?«
Sie winkte Francesca herüber, die sich auf den Stuhl ihr gegenüber stürzte, vor Begeisterung sprudelnd.
» Warum bist du nicht zu Hause?«, fragte Lily, nachdem sie beide eine ordentliche Schneise in das Eis geschlagen hatten.
» Meine Mamma ist von der Arbeit gekommen«, antwortete Francesca. » Sie braucht zu Hause Ruhe.«
» Wo ist Ernesto?«, fragte Mario hinter der Theke.
» Bei Tante Carlotta«, sagte Francesca. » Für immer, hoffe ich.«
» Magst du deinen kleinen Bruder nicht?«, fragte Lily.
» Manchmal ist er ganz okay, aber meistens ist er sowieso lieber bei Carlotta«, erklärte Francesca sachlich. » Zu Hause schreit meine Mamma immer, Ernesto schreit, alle schreien. Es ist sehr laut.«
» Das tut mir leid«, sagte Lily. Sie blickte hinüber zu Mario, der ein Achselzucken andeutete.
Lily spürte, wie das Eis kalt und schwer in ihren Magen rutschte. Sie hatte angenommen, dass Daniel sie betrog für ein idyllisches Leben, aber das war eindeutig nicht der Fall, und sie konnte sich nicht entscheiden, ob das nun besser war oder schlimmer. Sie hatte sich ausgemalt, dass er hier in einem Liebesnest hockte, dass seine ihn anbetende Geliebte sich in körperbetonte Wickelkleider hüllte und ihn ständig anlächelte, während sie für ihn kochte und sich um seine Kinder kümmerte. Stattdessen fehlte von Daniel jede Spur, die Geliebte war mit den Nerven am Ende, ein Kind wurde zur Tante abgeschoben und das andere aus dem Haus gejagt, das daraufhin durch die Straßen streunte. Zum Glück gab es nur zwei Kinder, die man fortjagen konnte.
» Was arbeitest du in Amerika?«, fragte Francesca.
» Ich bin Vizepräsidentin für Logistik in einer großen Firma in New York«, erklärte Lily und nahm dankbar Zuflucht hinter ihrer Heigelmann-Persönlichkeit. » Das bedeutet, dass ich verantwortlich bin für den Transport unserer Ware von den Produktionsstätten an der Ostküste in jeden Winkel der Vereinigten Staaten. Wir bewegen mehr als achtzehn Millionen Einheiten im Monat. Darum ist es sehr wichtig, dass alles pünktlich ankommt, damit die Kunden es kaufen können und unsere Umsatzprognose erfüllt wird. Dafür bin ich zuständig.«
» Oh«, sagte Francesca und leckte ihren Löffel ab. » Was ist eine Einheit?«
» Eine Einheit ist eins von unseren Produkten. Wir haben über hundertfünfundachtzig
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