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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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»Was ist los?«
    »Ich kann nicht. Ich kann Mutter und Vater nicht verlassen.«
    »Was? So lieb und nett behandeln sie dich?«
    »Sie brauchen mich.«
    »Verdammt, Batta, es sind erwachsene Menschen. Sie können selbst für sich sorgen.«
    »Das konnten sie vielleicht, als ich sieben war«, sagte sie, »aber als ich zwölf war, konnten sie es nicht mehr. Ich war zuverlässig. Ich schaffte es. Und sie taten nicht einmal mehr so, als seien sie erwachsen. Ich kann nicht einfach weggehen und glücklich sein, wo ich doch weiß, daß sie daran kaputtgehen. Ich muß auf sie aufpassen.«
    »Natürlich kannst du weggehen, wo du doch weißt, daß du sonst selbst kaputtgehst. Ich kann dir sofort Somec geben, Batta. Ich kann dich fünf Jahre lang schlafen lassen, und wenn du dann aufwachtest, hätten sie bestimmt inzwischen gelernt, selbst für sich zu sorgen, und du könntest sie besuchen und feststellen, daß alles in Ordnung ist.«
    »Hast du denn so viel Geld?«
    »Wenn man in diesem hübschen kleinen Reich erst genügend Macht hat«, sagte Abner Doon, »ist Geld nicht mehr erforderlich.«
    »Wenn ich aufwache, könnten sie tot sein.«
    »Vielleicht. Und dann würden sie dich bestimmt nicht mehr brauchen.«
    »Ich würde mich schuldig fühlen, Ab. Ich würde daran zugrunde gehen.«
    Aber Abner Doon überredete sie, und endlich erreichte er, daß sie sich auf den fahrbaren Tisch legte, und er setzte ihr die Schlafkappe auf und zeichnete ihren Gehirninhalt auf. All ihre Erinnerungen, ihre ganze Persönlichkeit, ihre Hoffnungen und Ängste wurden auf Band aufgenommen, und dieses Band warf Abner Doon in die Luft und fing es mit der Hand wieder auf.
    »Wenn du aufwachst, werde ich es dir in den Kopf zurückspielen, und du wirst nicht einmal wissen, daß du geschlafen hast.«
    Sie lachte nervös. »Aber alles, was jetzt passiert, wird vom Somec ausgelöscht, nicht wahr?«
    »Das ist richtig«, antwortete Doon. »Ich könnte dich jetzt vergewaltigen und alle möglichen obszönen Hand lungen an dir vornehmen, und wenn du aufwachtest, würdest du mich immer noch für einen Gentleman halten.«
    »An so was habe ich überhaupt nicht gedacht«, sagte sie.
    Er lächelte. »Und nun laß mich dich einschläfern.«
    »Und was ist mit dir?« fragte sie.
    »Das sage ich doch. Ich bin dir ein Jahr voraus. Ich werde ein Jahr älter sein, wenn ich dich wecke, und dann beginnt unser gemeinsames Leben, ob mit oder ohne Vertrag. Einverstanden?«
    Aber sie fing an zu weinen, und sie hörte nicht auf zu weinen bis sie der Hysterie nahe war. Er hielt sie, wiegte sie hin und her, versuchte zu ergründen, warum sie weinte, versuchte zu begreifen, was er getan hatte, aber sie antwortete nur: »Nichts. Nichts.«
    Und endlich holte er eine Flasche Somec (man darf keine privaten Somecvorräte besitzen! Das sagt das Gesetz) und eine Nadel und packte sie, damit sie sich auf den Tisch legte. Sie riß sich los und wich bis ans Ende des Raumes zurück.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann meinen Eltern nicht fortlaufen.«
    »Du mußt dein eigenes Leben leben.«
    »Ab, ich kann es nicht tun! Verstehst du das denn nicht? Liebe heißt nicht nur, daß man jemanden gern hat. Ich mag meine Eltern gar nicht sehr. Aber sie vertrauen mir. Sie verlassen sich auf mich, ich bin ihr ganzer verdammter Halt, und ich kann nicht weglaufen und sie im Stich lassen.«
    »Gewiß kannst du das. Jeder könnte es. Es ist unnatürlich, was sie dir angetan haben, und du hast ein Recht auf dein eigenes Leben.«
    »Jeder andere könnte es tun, aber nicht ich. Ich, Batta Heddis, bin ein Mensch, der nicht wegläuft. So bin ich nun einmal. Wenn du jemanden willst, der so etwas tun würde, mußt du woanders suchen!« Und sie rannte aus der Wohnung zur U-Bahn-Station, fuhr nach Hause, schloß die Tür und legte sich auf das Sofa und weinte, bis ihr Vater aus dem anderen Raum ungeduldig nach ihr rief, worauf sie hinüberging und ihm behutsam die Stirn streichelte, bis er einschlafen konnte.
     
    *
     
    Als die Geschwister noch da waren, konnte Batta sich wenigstens einreden, daß es eine gewisse Abwechslung gab, jetzt aber war diese Selbsttäuschung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Jetzt war sie der einzige Mittelpunkt in ihrer aller Leben, und sie rieb sich langsam auf, zuerst durch die ständige Arbeit und den ständigen seelischen Druck (aber dabei hatte sie mehr Kraft als je zuvor, und, anders als zuvor, wurde ihr alles so sehr zur Routine, daß sie sich ein anderes Leben gar nicht mehr

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