Capitol
ein guter Satz. Du begeisterst dich am Fortschritt. Ich gratuliere dir. Ich wünsche dir alles Gute. Schlafe und schlafe und schlafe, und hoffentlich bringt es dir Profit.«
»Das Gebet der Kapitalisten«, fügte Treve hinzu. Sie lächelte und tat Bergen noch ein wenig Salat auf den Teller.
»Aber Bergen. Während du durch die Zeit fliegst, wie Steine, die über das Wasser hüpfen und kaum naß werden, werde ich schwimmen. Ich schwimme gern. Ich werde dabei naß. Und werde dabei müde. Ich werde sterben, wenn du gerade dreißig bist, aber eins weiß ich, ich werde meine Bilder hinterlassen.«
»Unsterblichkeit durch Stellvertretung ist recht zweitklassig, nicht wahr?«
»Ist an meinen Arbeiten etwas zweitklassig?«
»Nein«, antwortete Bergen.
»Dann iß zu Ende, schau dir noch einmal meine Bilder an, und mache dich wieder daran, riesige Städte zu bauen, bis über der ganzen Welt ein Dach liegt und der Planet im Raum wie ein Stern leuchtet. Aber sag mir, Bergen, hast du je Zeit, nackt in einem See zu schwimmen?«
Bergen lachte. »Das habe ich schon jahrelang nicht getan.«
»Ich heute morgen.«
»In deinem Alter?« fragte Bergen, und sofort taten ihm seine Worte leid. Nicht, weil Dal sie übelgenommen hätte – er schien sie gar nicht zu registrieren. Bergen taten die Worte leid, weil sie ausdrückten, daß es keine Hoffnung auf weitere Freundschaft mehr gab. Dal war nun schon ein älterer Mann, und nach ein paar Jahren würde er noch wesentlich älter sein, und es wäre sinnlos, wenn sich ihre Wege je wieder kreuzten. Und dabei hatte Dal ihm so schöne Peitschenbäume in sein Bild gemalt. Jetzt aber war es Treve, die mit ihm freundschaftlich scherzte, erkannte Bergen, während er selbst Städte baute.
Als sie sich am Abend verabschiedeten, immer noch heiter, immer noch als Freunde, fragte Dal (und seine Stimme zeigte, daß die Frage ernst gemeint war): »Bergen, malst du manchmal?«
Bergen schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Zeit. Aber ich gebe zu – wenn ich dein Talent hätte, Dal, würde ich mir die Zeit dazu nehmen. Aber ich habe dieses Talent nicht, und ich hatte es auch nie.«
»Das ist nicht wahr, Bergen. Du hattest mehr Begabung als ich.«
Bergen sah Dal in die Augen und begriff, daß der Mann das wirklich glaubte. »So etwas darfst du nicht sagen«, rief Bergen hitzig. »Wenn ich davon überzeugt wäre, Dal, glaubst du, daß ich dann mein Leben so leben könnte, wie ich es leben muß?«
»Oh, mein Freund«, sagte Dal lächelnd. »Du hast mich sehr, sehr traurig gemacht. Umarme mich in Erinnerung an unsere gemeinsame Knabenzeit.«
Sie umarmten einander, und Bergen ging. Sie sahen sich nie wieder.
Bergen erlebte, daß das Capitol von Pol zu Pol mit Stahl zugebaut war, wobei man selbst die Ozeane nicht ausgelassen hatte, so daß sie nur noch Teiche waren. Einmal machte er eine Reise mit einem Vergnügungskreuzer und sah den Planeten aus dem Raum. Er glänzte. Er war schön. Er war wie ein Stern.
Bergen lebte so lange, daß er noch etwas sah. Eines Tages suchte er ein Geschäft auf, in dem seltene und alte Gemälde verkauft wurden. Und dort sah er ein Bild, das er sofort wiedererkannte. Die Farben waren verblichen und blätterten schon ab. Aber es war Dals Arbeit, und auf dem Bild waren Peitschenbäume, und Bergen fragte den Geschäftsinhaber: »Wer hat denn das Gemälde in diesen Zustand geraten lassen?«
»In diesen Zustand? Sir, wissen Sie, wie alt es ist? Siebenhundert Jahre alt, Sir. Es ist bemerkenswert gut erhalten. Von einem großen Künstler, dem größten unseres Jahrtausends, aber niemand kann Farben oder Leinwand herstellen, die länger als einige Jahrhunderte halten. Was verlangen Sie? Wunder?«
Und Bergen erkannte, daß er in seinem Streben nach Unsterblichkeit mehr gewonnen hatte, als er erhoffen konnte. Nicht nur starben die Freunde weg, sondern auch ihre Werke, und die Werke aller Menschen waren zu seinen Lebzeiten untergegangen. Einige waren schon zu Staub zerfallen; andere zeigten die ersten Risse. Aber Bergen hatte lange genug gelebt, um einen Anblick zu sehen, den das Universum der Menschheit sonst nicht enthüllte: den Endzustand.
Das Universum selbst liegt im Sterben, sagte Bergen, als er Dals Bild betrachtete. War es den Preis wert, nur das festzustellen?
Er kaufte das Bild. Es zerfiel bevor er starb.
Zweite Chance
Der Mensch, zur Zerstörung geboren,
Weint, wenn er Margaret verloren. –
Gerald Manley Hopkins
Im Alter von sieben Jahren steckte
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