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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Jahre her«, sagte er. »Deine Eltern sind beide gestorben. Eines natürlichen Todes. Sie waren nicht unglücklich. Deine Entscheidung war richtig.«
    Ihr wurde bewußt, daß sie nackt war, und die ewige Jungfrau in ihr ließ sie vor Verlegenheit erröten. Aber er berührte sie (und die Erinnerung an den Abend, an dem sie sich fast zum erstenmal geliebt hätten, war noch frisch – es war erst vor ein paar Stunden gewesen –, und sie war schon erregt und bereit), und sie empfand keine Verlegenheit mehr.
    Sie gingen in seine Wohnung und erlebten wunderbare Liebesstunden und waren tagelang glücklich, bis sie ihm endlich gestand, was sie heimlich bedrückte.
    »Ab, Ab, ich träume von ihnen.«
    »Von wem?«
    »Von Mutter und Vater. Du hast mir gesagt, es sei schon Jahre her, und das weiß ich auch. Aber mir kommt es immer noch so vor, als sei es gestern gewesen, und es ist für mich ein schreckliches Gefühl, sie allein gelassen zu haben.«
    »Du wirst schon darüber hinwegkommen.«
    Aber sie kam nicht darüber hinweg. Immer häufiger dachte sie an ihre Eltern, immer schlimmer fraß die Schuld an ihr, störte ihre Träume, stach sie wie mit Messern, wenn sie Abner Doon liebte, und nahm ihr alle Freude, wenn sie all die Dinge tat, die sie liebend gern schon als Kind getan hätte.
    »Oh, Ab, weinte sie eines Nachts – es war erst die sechste Nacht seit ihrem Aufwachen –, Ab, ich würde alles, aber auch alles tun, wenn dies wieder rückgängig gemacht werden könnte!«
    Er hörte auf, sich zu bewegen. Er war wie gefroren. »Ist das dein Ernst?«
    »Nein, nein, Abner, du weißt, daß ich dich liebe. Ich habe dich geliebt seit wir uns kennenlernten, mein ganzes Leben lang, sogar schon bevor ich wußte, daß es dich gibt, habe ich dich geliebt. Weißt du das denn nicht? Aber mich selbst hasse ich! Ich komme mir wie ein Feigling vor und wie eine Verräterin, weil ich meine Familie im Stich gelassen habe. Ich weiß, daß sie mich brauchten, und ich weiß immer wie bekümmert sie waren, als ich sie verließ.«
    »Sie waren vollkommen glücklich. Sie merkten nicht einmal, daß du weg warst.«
    »Das ist gelogen.«
    »Batta, bitte, vergiß sie.«
    »Das kann ich nicht. Warum habe ich nur nicht das Richtige getan?«
    »Und was wäre das gewesen?« Er sah ängstlich aus. Warum hatte er Angst?
    »Bei ihnen zu bleiben. Sie haben nur noch ein paar Jahre gelebt. Wenn ich geblieben wäre, hätte ich ihnen über diese letzten Jahre hinweggeholfen. Dann, Ab, hätte ich mir heute in die Augen sehen können. Selbst wenn es elende Jahre gewesen wären, würde ich mir heute wenigstens wie ein anständiger Mensch vorkommen.«
    »Dann darfst du dir ruhig wie ein anständiger Mensch vorkommen. Denn du bist geblieben.«
    Und er erzählte es ihr. Alles.
    Schweigend lag sie auf dem Bett und starrte gegen die Decke.
    »Dann ist dies alles Betrug, nicht wahr? Insgeheim bin ich in Wirklichkeit ein Miststück von einem alten Weib, das im Haus seiner Eltern verfaulte, bis diese die Höflichkeit besaßen zu sterben, eine Frau ohne Mut, sich das Leben zu nehmen –«
    »Absurd –«
    »Die vor diesem Schicksal nur von einem Mann bewahrt wurde, der es zustande brachte, Gott zu spielen.«
    »Batta, dir gehört das Beste aus beiden Welten. Du bist bei deinen Eltern geblieben. Du hast das Richtige getan. Aber du kannst jetzt dein Leben weiterführen ohne die Erinnerung an das, was sie dir getan haben, ohne werden zu müssen was du geworden bist.«
    »Und war ich so entsetzlich?«
    Er dachte daran, sie zu belügen, aber er überlegte es sich anders. »Batta, als ich dich in jenem Raum des Kolonialbüros sah, hätte ich fast geweint. Du sahst wie tot aus.«
    Sie streckte die Hand aus und streichelte ihm Wange und Schulter. »Und du hast mir die Strafe für meinen eigenen Fehler erspart.«
    »Wenn du es so sehen willst.«
    »Aber hier gibt es einen Widerspruch. Wir wollen logisch sein. Nennen wir die Frau, die sich entschloß, bei ihren Eltern zu bleiben, Batta A. Batta A blieb tatsächlich und wurde verrückt, wie du sagtest, und sie beschloß, in die Kolonien zu gehen und ihre Verrücktheit für sich zu behalten.«
    »Aber so geschah es nicht –«
    »Nein, hör zu!« beharrte Batta ruhig und nachdrücklich, und er hörte zu. »Batta B jedoch beschloß, nicht zu ihren Eltern zurückzugehen. Sie blieb bei Abner Doon und versuchte glücklich zu werden, aber ihr Gewissen quälte sie und trieb sie in den Wahnsinn.«
    »Aber so geschah es nicht –«
    »Nein,

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