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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Aber, wenn sie zurückblickte, hatte Batta das Empfinden, daß alle Tage gleich gewesen waren. Die Abwechslungen hatte ihr nur ihr eigener Verstand vorgegaukelt. Das hatte sie davor bewahrt, verrückt zu werden. Und am Ende, als Batta siebenundzwanzig und Jungfrau war und unsagbar einsam, waren alle Geschwister weg, und sie war mit ihren Eltern allein.
    Zu dieser Zeit machte Abner Doon seinen zweiten Besuch.
    Auch er hatte in der Zwischenzeit kein Somec genommen, wie sie überrascht feststellte, als sie ihn ins Wohnzimmer bat (dieselben Gerümpelmöbel, nur noch älter; dieselbe Farbe an den Wänden, nur noch dreckiger; dieselbe Batta Heddis, nur noch toter, und er saß da und schaute sie lange prüfend an.
    »Ich dachte, du hättest inzwischen Somec genommen«, sagte sie.
    »Das haben alle gedacht. Aber es gibt Dinge, die man nicht erledigen kann, wenn man die Jahre verschläft. Ich kann kein Somec nehmen, bevor ich mit meiner Arbeit fertig bin.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Wenn ich die Welt beherrsche.«
    Sie lachte, denn sie hielt es für einen Scherz. »Und wenn man feststellt, daß ich die lange vermißte, von Zigeunern entführte und von Raumpiraten gefangengehaltene Tochter einer großen Mutter bin. Und dann werde ich ihre Nachfolgerin als Kaiserin.«
    »Ich werde innerhalb eines Jahres Somec nehmen.« Und jetzt lachte sie nicht. Sie sah ihn nur an und erkannte, daß Sorgen und Arbeit und vielleicht Grausamkeit sein Gesicht an einigen Stellen gezeichnet hatten, so daß sein Ausdruck nur schwer zu fassen war. »Du siehst aus, als wärst du im Begriff zu ertrinken«, sagte sie.
    »Und du siehst aus, als seist du schon ertrunken.« Er streckte den Arm aus und nahm ihre Hand. Sie war überrascht – das hatte er noch nie getan. Aber die Hand war warm, trocken, glatt und fest – sie hatte sich immer vorgestellt, daß eine Männerhand sich so und nicht anders anfühlen müsse (nicht wie Vaters Klauen), und sie zog ihre Hand nicht zurück. »Ich sah ja wie es war, als ich zum erstenmal herkam«, sagte er. »Ich habe gewartet bis du frei bist. Das letzte deiner lieben kleinen Geschwister hat vor einer Woche das Haus verlassen. Deine Angelegenheiten sollten also jetzt geregelt sein. Willst du mich jetzt heiraten?«
     
    *
     
    Drei Stunden später saßen sie einen halben Sektor entfernt in einer bescheiden wirkenden Wohnung (nur scheinbar – Computer und Möbel kamen buchstäblich aus den Wänden), und sie schüttelte den Kopf.
    »Ab«, sagte sie, »das kann ich nicht. Du verstehst einfach nicht.«
    Er sah besorgt aus. »Ich dachte du würdest einen Vertrag vorziehen. Das ist für beide sicherer. Aber wenn es dir lieber ist, daß wir es inoffiziell –«
    »Du verstehst nicht. Fünf Minuten bevor du kamst habe ich gebetet, daß so etwas geschehen möge. Ich hätte alles getan, um nur hier wegzukommen –«
    »Die Gelegenheit hast du jetzt.«
    »Aber ich muß dauernd an meine Eltern denken. Meine Mutter, die mit ihrem Leben nicht zurechtkommt, geschweige denn mit dem meines Vaters, und mein Vater, der so gut er kann alles beherrschen will, und den nur ich unter Kontrolle halten und glücklich machen kann. Sie brauchen mich.«
    »Auf die Gefahr hin, daß es abgedroschen klingt, ich auch.«
    »So sehr doch wohl nicht«, sagte sie und beschrieb mit der Hand einen Bogen, um auf die ganze Ausstattung hinzuweisen, die zeigte, daß er ein reicher und mächtiger Mann war.
    »Dies hier? Batta, dies ist alles Teil eines weit größeren Plans, ein direkter Einstieg in etwas Wunderbares. Aber das möchte ich lieber mit dir teilen.«
    »Du bist ein romantischer Idiot, wie alle anderen jungen Leute«, lachte sie. »Woher weißt du überhaupt, daß du mich liebst?«
    »Meine Träume, Batta, reichen nicht mehr aus, mich warmzuhalten.«
    »Frauen sind nicht sehr teuer.«
    »Batta steht nicht einmal zum Verkauf«, meinte er, und dann griff er nach ihr und berührte sie, wie sie noch nie berührt worden war, und sie hielt ihn fest, wie sie noch nie jemanden festgehalten hatte. Zwei Stunden lang war alles neu, jede Regung und jedes Lächeln.
    »Nein«, flüsterte sie, als er im Begriff war, ihre lange sexuelle Enthaltsamkeit zu beenden. »Bitte, nein.«
    »Warum, zum Teufel, nicht?« flüsterte er zurück.
    »Ich werde dich nie mehr verlassen können, wenn ich es tue.«
    »Ausgezeichnet«, sagte er und machte weiter, aber sie entzog sich ihm, glitt vom Bett und begann sich anzuziehen.
    »Dein Timing ist nicht besonders«, sagte er.

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