Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
würden.
    Seine Freunde weinten vor Wut und Hilflosigkeit, und dann erfolgte der nächste Angriff, dem nicht begegnet wurde, und Homers Freunde wurden fast auf der Stelle ausgelöscht, und Homer erlebte einen schrecklichen Augenblick, als er sah, daß die Projektile sein eigenes Schiff ansteuerten. Ein Ausweichen war nicht möglich, und in vier Minuten würde das erste Geschoß ihn erreichen.
    Während der ersten Minute dachte er in einem Aufruhr der Gefühle an seine Frau, die man aus ihrem Somec-Schlaf wecken und verständigen würde. Er konnte sie vor Kummer weinen hören, und in Gedanken streckte er die Arme aus, um sie an sich zu drücken und zu trösten, aber dabei wußte er, daß es für sie dann keinen Trost mehr geben würde.
    Während der zweiten Minute hörte er die Gedanken der ihm am nächsten befindlichen kaiserlichen Schiffskommandanten ab. Ihre Gedanken waren einfach. Sieg. Belohnung. Ruhm. Ich habe es geschafft.
    Immer wieder dasselbe: Ich habe es geschafft. Ich war es. Ich war es. Wenn mein Geschoß doch zuerst träfe, und Homer wollte schreien (aber sie hätten es nicht gehört), seid ihr Helden? Was für Helden seid ihr, die nur töten können, wenn das Opfer unbewaffnet und gefesselt am Boden liegt, wehrlos dem Messer ausgeliefert?
    Während der dritten Minute sah er sich im Kommandostand des Schiffs um und fragte sich, was er hier zu suchen hatte, was in aller Welt er zwei Jahrhunderte von seinem Heim auf Capitol entfernt in einem Raumschiff zu suchen hatte. Er fragte sich, warum er nicht zu Hause geblieben war und seine verdammte telepathische Begabung geheimgehalten hatte. Warum er überhaupt in die Streitkräfte eingetreten war, wo man sein Talent noch gefördert und ihn zum Piloten ausgebildet hatte, wo er gelernt hatte, für das Reich Siege zu erkämpfen, bis es plötzlich eine Belastung war, unter Bruch der Konvention Telepathen als Piloten zu beschäftigen und man ihn entließ, um ihn hinzurichten, wie man es schon mit dem ersten Dutzend telepathischer Piloten getan hatte, und ihn dafür zum Verräter zu erklären, daß er ihnen so gute Dienste geleistet hatte. In Gedanken machte er alles rückgängig und lebte ein ganzes Leben als der Wissenschaftler, der er früher einmal hatte werden wollen, mit mehreren Kindern, vielen Freunden und überall anerkannt, aber dann schaute er auf die Konsole, und der Computer sagte ihm, daß er noch eine Minute Zeit hatte, und alle Alarmglocken gellten ihm in den Ohren TU JETZT ETWAS, aber er konnte nichts tun, denn er konnte nicht einmal das Schiff drehen.
    Als die vierte Minute anfing, richtete er seine Aufmerksamkeit wie zufällig auf Harper, den nächsten der drei Planeten, planlos sondierte er die Gedanken eines Menschen, hörte planlos zu, versuchte planlos in seinen Gedanken zu lesen, um festzustellen, was die Menschen auf Harper von all diesem hielten, und hoffte, in den Gedanken des Mannes etwas zu finden, was den Kampf und den Tod irgendwie sinnvoll erscheinen ließ.
    Die Gedanken, die er las, waren die eines Ingenieurs, der zurückgelehnt im Sessel saß und sich überlegte, was er mit seiner Geliebten machen könne, die gleichzeitig die Sekretärin seines Chefs war, und die aus Rache für seine Untreue diesem Chef erzählen wollte, wer wirklich die Brücke von Hadgate entworfen hatte. Kann ich, fragte sich der Ingenieur, die Sache vielleicht dadurch ausbügeln, daß ich wieder mit ihr ins Bett gehe? Im Bett kann sie sich nicht beherrschen. Und der Ingenieur griff nach einem Buch.
    Homer konnte es kaum ertragen. Es war schlimm genug zu wissen, daß die Militärs frohlockten. Schlimm genug, um den Todeskampf seiner Freunde zu wissen. Aber zu erkennen, daß es einen intelligenten, verantwortlichen Menschen völlig kalt ließ, daß nicht weit über seinem Kopf zwanzig gute Leute sterben mußten, weil sie den Versuch des Reiches, sie zu ermorden, Widerstand entgegenzusetzen wagten, das war unerträglich. Das war die schlimmste Wunde, die man Homer schlagen konnte, und er kreischte: »Ihr bringt mich um, ihr Schweine!« Und seine Finger gaben die Fusionsgeschosse frei.
    Einen winzigen Augenblick besann er sich eines Besseren. Einen Augenblick später war er wieder vernünftig, und er wußte, daß er einen solchen Mord nie begehen könnte. Aber als seine Finger nach den Kontrollknöpfen griffen, mit denen er die Fusionsgeschosse noch hätte unschädlich machen können, schlug das erste Projektil des Feindes in sein Schiff ein, und er starb in einem

Weitere Kostenlose Bücher