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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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ihm eine gute Meinung.«
    »Von Geld haben die Leute immer eine gute Meinung.«
    »Oft auch von Schönheit.«
    Bei diesen Worten fing sie wieder an zu weinen. Und durch ihr Schluchzen hindurch sagte sie mit verzerrter Kleinmädchenstimme: »Mein einziger Wunsch war schon immer, nach Capitol zu gehen. Nach Capitol zu gehen und dort all die berühmten Leute kennenzulernen, um Somec zu nehmen und ewig zu leben und ewig schön zu sein. Ich hatte doch nur meine Schönheit – ich hatte kein Geld, keine Bildung und zu nichts Talent. Und nicht einmal als Mutter war ich zu gebrauchen. Wissen Sie, was es bedeutet, wenn die Leute einen nur wegen einer einzigen Eigenschaft lieben?«
    Nein, dachte Hort bei sich, aber ich sehe ja, was für eine Tragödie das ist.
    Sie waren der Vormund Ihres Sohnes. Sie hätten ihn nach Capitol schaffen können.
    »Nein, das konnte ich nicht. Es wäre gegen das Gesetz gewesen, Hort. Auf dem Planeten gewonnenes Vermögen muß so lange auf dem Planeten investiert werden, bis er den vollen Status einer Provinz erlangt. Das schützt uns vor Ausbeutung .« Sie spuckte das Wort nur so aus. »Wir dürfen kein Somec nehmen, bevor wir Provinz geworden sind. Wir haben keine Chance auf Leben !«
    »Es gibt Leute unter uns, die nicht jahrelang schlafen wollen, nur um ein paar Jahre lang jünger zu bleiben«, sagte Dr. Hort.
    »Das sind nur die Verrückten«, gab sie zurück, und fast hätte er ihr zugestimmt. Ewiges Leben erschien ihm nicht sehr verlockend. Das Leben zu verschlafen hielt er für grauenhafte Zeitverschwendung. Aber er kannte die Anziehungskraft der ganzen Sache. Er wußte, daß die meisten Leute, die in die Kolonien kamen, dumm oder verzweifelt waren, die talentierten Reichen und Hoffnungsvollen aber dort blieben, wo Somec greifbar war.
    »Nicht nur das«, sagte sie, »mein hassenswerter Ehe mann hat sein gesamtes Vermögen anderweitig vererbt. Ich hätte keinen Penny aus Pampas herausschaffen können.«
    »Ach so.«
    »Also blieb ich und hoffte, daß, wenn mein Sohn erst erwachsen war, wir einen Weg finden könnten, wegzugehen – irgendwohin.«
    »Wenn Ihr Sohn nie geboren wäre, hätten Sie selbst das ganze Geld geerbt, ohne Einschränkungen, und dann hätten sie es alles einem Neueinwanderer verkaufen können und wären von hier verschwunden.«
    Sie nickte und fing wieder an zu weinen.
    »Kein Wunder, daß Sie Ihren Sohn haßten.«
    »Fesseln, nur Fesseln, die mich hier festhielten, und im Laufe der Jahre ging ich des einzigen Kapitals verlustig, das ich hatte, meines schönen Gesichts und meiner guten Figur.«
    »Sie sind immer noch schön.«
    »Ich bin fünfundvierzig. Es ist zu spät. Selbst wenn ich heute noch nach Capitol abreiste, würde man mir, da ich schon über fünfundvierzig bin, kein Somec mehr zugestehen. Es wäre gegen das Gesetz.«
    »Ich weiß, und deshalb –«
    »Deshalb bleibe ich hier und versuche, das Beste daraus zu machen? Nein danke, Doktor, darauf kann ich verzichten. Statt Ihrer hätte ich auch genausogut einen Priester konsultieren können.«
    Sie wandte sich von ihm ab und murmelte: »Und jetzt stirbt der Junge, jetzt, wo es zu spät ist. Warum, gottverdammt, konnte er nicht vor einem Jahr sterben?«
     
    *
     
    Linkeree drückte den Rest der Erde über dem Grab an, das er für den Kopf und die Haut des Kindes gegraben hatte. Seine Tränen waren schon lange getrocknet. Die einzige Flüssigkeit, die es an ihm noch gab, war der Schweiß von der Anstrengung, in der heißen Sonne durch die festen Graswurzeln hindurchzugraben. Kein Wunder, daß die Vaqs nur flache Gräber ausgehoben hatten, um die Knochen unterzubringen. Es war schon Nachmittag, und er hatte eben erst seine Arbeit beendet.
    Aber während der Arbeit hatte er sich in seine Vergangenheit zurückgezwungen, hatte seine Erinnerungen befragt und eine nach der anderen zusammen mit dem Kind begraben. Es war nicht Mutter, die ich auf der Straße umbrachte, es war Zad. Mutter lebt noch und hat mich gestern besucht. Deshalb bin ich aus dem Hospital geflüchtet; deshalb wollte ich sterben. Denn wenn es je einen Menschen gab, der zu leben verdiente, dann war es Zad. Und wenn je ein Mensch zu sterben verdiente, dann war es Mutter.
    Verschiedene Male sehnte er sich danach, sich einfach zusammenzurollen und zu verstecken, sich in den kühlen Schatten unter dem Gras zurückzuziehen, abzustreiten, daß dies alles sich überhaupt ereignet hatte, abzuleugnen, daß er überhaupt je fünf Jahre alt geworden war. Aber er

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