Cappuccino fatale
Sergio Conti wild
gestikulierend an und schnappt nach Luft wegen einer zu heißen Kuttel. »Er will
sich allmählich zur Ruhe setzen. Wir kämpfen diesen Kampf nun schon seit
einigen Jahren. Das ist auch der Grund, weshalb er immer noch nicht mit der
Arbeit aufgehört hat. Er macht sich Sorgen, dass ich das Unternehmen, das er
schon von seinem Vater übernommen hat, in dritter Generation zugrunde richte.«
»Es ist eine harte Zeit für unseren capo, den Chef«, wirft Paolo ein. »Er weiß, dass seine Kräfte es bald nicht mehr zulassen,
die Geschäfte zu führen, und er sie wohl oder übel seinem Sohn übergeben muss .«
»Ist das Risiko denn wirklich so groß? Den
Vertrieb und die Werbung schrittweise auszubauen, bedeutet für ein solides
Unternehmen wie Napolone sicher keine allzu große Gefahr, oder etwa doch?«,
versuche ich das Problem zu verstehen.
»Aus unseren jetzigen Gewässern auszubrechen und weiter hinauszuschwimmen
bedeutet auch, dass wir uns neue Geschäftspartner suchen müssen«, beginnt Paolo
zu erklären. »Das finden nicht alle gut, die den Markt unter sich aufgeteilt
haben. Wir sind hier in Neapel, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Noch nicht ganz …«
»Na ja, das sind Details, die hier nichts zur Sache tun«, wiegelt
Conti ungewohnt brüsk ab. Offenbar ist ihm sein Busenfreund dieses Mal etwas zu
weit gegangen. »Ich möchte aber noch mal betonen, dass mir die
AdOne-Präsentation heute sehr gut gefallen hat. Sie geht in die Richtung, die
ich mir vorgestellt habe.«
»Ja«, beeilt sich Paolo ihm beizupflichten, »die werden wir morgen
im Detail besprechen.«
»Zur Darstellung der Präsentation noch mal«, setze ich erneut an.
»Ja, es tut mir leid, dass wir technisch nicht entsprechend
ausgestattet sind«, unterbricht mich Conti.
»Nein, das meine ich gar nicht. Im Gegenteil, darauf sind wir
normalerweise vorbereitet«, stammele ich. »Ich hatte einen Koffer mit Pappen
und Mappen dabei, damit Sie sich die Unterlagen in Ruhe anschauen können. Es
ist nur so – der Koffer ist mir auf dem Weg zu Ihnen geklaut worden.« Ich fand,
das musste ich noch klarstellen.
»Wie, der Koffer ist Ihnen geklaut worden?« Conti sieht mich ungläubig an.
»Ich bin auf dem Weg hierher überfallen worden.«
»Du bist was?« Paolo wirkt erschrocken.
»Ja, auf der Straße. Ich habe einen Schlag bekommen, bin hingefallen
und habe den Koffer mit den Mappen nur noch von hinten gesehen.«
Conti schlägt beide Hände vors Gesicht. »Ja«, stöhnt er, »auch das
ist Napoli.«
»Und ich habe mich schon gewundert, warum die junge Dame aus Mailand
in einer schmutzigen Hose zu uns kommt«, witzelt Paolo. »Was jetzt nicht heißen
soll, dass dies eine Schönheit wie dich entstellen könnte«, beeilt er sich
charmant hinzuzufügen.
Ich werde rot und blicke Paolo eine Sekunde zu lang verdattert an.
Sergio schaut aufmerksam von Paolo zu mir und wieder zurück.
»Nun ja, das war mein erster Kontakt mit den Neapolitanern.« Ich
reiße mich zusammen und betreibe weiter Smalltalk. »Zwei Taschendiebe.«
»Aber dafür hast du dich bei unserem Termin gut geschlagen. Mit uns
Neapolitanern, meine ich.« Paolo grinst und wischt mit einem Stück Brot die
Soßenreste von seinem Teller.
»Hmm, vielen Dank«, pariere ich wie ein artiges Mädchen und verfolge
wie paralysiert, wie er an seinem Wein nippt und sich dann mit der Zungenspitze
kurz über die Oberlippe fährt.
Oh Gott, ich bin betrunken.
Entweder vom Wein oder von diesem Kerl hier.
Zu allem Übel kommt Lorenzo erneut an unseren Tisch, stellt ungefragt
eine zweite Flasche Wein vor uns ab und leert die wenigen verbleibenden Tropfen
der ersten Flasche in mein Glas. Puh, ich habe schon zwei Wein auf praktisch
nüchternen Magen intus und merke, dass sich die Dinge um mich herum anfangen zu
drehen. Die leeren Vorspeisenteller werden abgeräumt und sofort darauf
erscheint Lorenzo mit unserer Pasta. Ich versuche mich aufs Essen zu
konzentrieren.
Ich habe Penne mit Zucchini und Schwertfisch gewählt, Paolo
Spaghetti mit einer weiteren Ration Muscheln und Conti macht sich über einen
Teller Carbonara her. Nach der zweiten Gabel bin ich bereits satt, esse aber
tapfer weiter.
Zu meiner Erleichterung kommt wieder eine angeregte Unterhaltung in
Gang. Wir diskutieren über das Leben in Neapel, Mailand und Hamburg, über das
Essen und das Wetter. Das Übliche eben, aber durchaus nett und interessant.
Nach der Pasta beschließen wir einstimmig, den
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