Cappuccino fatale
Nagelstudio treffen zu können. Ich dagegen muss bis
spätabends in dieser Chaosstadt ausharren, um auf die Maschine zu warten, in
der es noch freie Economy-Plätze gab.
»Und Sie bleiben noch ein wenig in Neapel?«, wendet sich Conti
junior nun freundlich an mich.
»Ja, ich fliege erst heute Abend zurück«, sage ich und bemühe mich
um einen neutralen Ton.
»Dürften wir Sie dann«, der Junior wechselt einen kurzen Blick mit
Paolo, »zu einem späten Mittagessen einladen? Wir haben wahrscheinlich alle
noch nichts gegessen heute, oder?«
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Maria sich neidisch auf die
Unterlippe beißt, während ich begeistert einwillige.
11.
Kurz darauf schlendere ich zwischen zwei attraktiven
Männern durch die Gassen Neapels. Beide tragen dunkle Sonnenbrillen und sehen
in ihren schicken Anzügen aus wie Bodyguards. Die Herren sind bester Laune und
gesprächig und selbst der ruhige Paolo gibt sich als launiger Vertriebler, den
ich verstohlen beobachte. Ich fühle mich wunderbar. Meine Erschöpfung von heute
Mittag ist wie weggeblasen.
In einer urigen Trattoria in einer kleinen Seitenstraße der Altstadt
setzen wir uns an einen Tisch draußen vor dem Lokal. Wir sind die einzigen
Gäste und ich vermute, dass man uns zur besten Siestazeit nur bewirtet, weil
man die Contis hier kennt.
»Lorenzo«, ruft Conti junior ins Lokal, »einen Falanghina, per favore .«
Lorenzo erscheint postwendend mit einer entkorkten Flasche Weißwein
sowie drei Gläsern und schenkt uns ein.
»Was wollt ihr essen?«, fragt der Kellner schnörkellos.
»Ich möchte das, was ich immer nehme«, gibt Conti seine Bestellung
auf.
»Ich auch«, lautet die ebenso präzise Angabe von Paolo.
Da es keine Speisekarten gibt und ich mich nicht blind der
Bestellung zweier Männer anschließen will, bestelle ich einfach, worauf ich
Appetit habe. Auf alle geäußerten Wünsche reagiert Lorenzo mit stoischer
Gelassenheit und verschwindet wortlos im Inneren des Lokals.
»Auf eine gute Zusammenarbeit!« Conti hebt sein Glas. »Ich freue
mich schon auf unsere Werbeoffensive für Napolone!«
Wir lassen die Gläser klingen und nehmen jeder einen großzügigen
Schluck Weißwein.
Paolo trinkt und wendet sich mir zu. »Weißt du«, duzt er mich
vertrauensvoll, »die Entscheidung, mit Napolone landesweit oder vielleicht
sogar international zu expandieren, hat bei uns im Unternehmen und auch in der
Branche großen Trubel ausgelöst.«
»Sie haben sicherlich bemerkt, wie skeptisch mein Vater dem gegenübersteht«,
fällt Conti ein, der mich weiter siezt. »Es ist nicht leicht für ihn, sich nun
langsam zurückzuziehen und Paolo und mir den Staffelstab zu übergeben. Auch
wenn er uns eigentlich voll und ganz vertraut.«
»Sergio und ich arbeiten schon seit zwanzig Jahren zusammen für
seinen Vater«, erzählt Paolo. »Ich habe als Botenjunge im Unternehmen
angefangen und mich dann über die Jahre nach oben gearbeitet.«
»Paolo und ich haben uns angefreundet und heimlich in der Poststelle
geraucht. Mein Vater hat mich ständig, schon in der Schulzeit, in die Firma
zitiert, damit ich am Geschehen teilhabe und das Geschäft kennenlerne. Das war
für ihn das Wichtigste.«
»Ja«, fährt Paolo fort, »so sind wir fast wie Brüder miteinander
groß geworden.«
»Paolo ist heute mein wichtigster Partner im Unternehmen, neben
meinem Vater natürlich«, beeilt sich Conti hinzuzufügen. »Wir besprechen alle
Entscheidungen miteinander, vero, Paolo? Stimmt’s?«
» Certo, è vero! Na klar!«
Die beiden Männer schauen sich geradezu liebevoll an, nachdem sie
sich ihre tiefe Männerfreundschaft versichert haben, weshalb ich lächeln muss.
Zum Glück kommen in diesem Moment die Antipasti. Für mich gibt es
eine Auswahl an gegrilltem Gemüse mit Büffelmozzarella. Conti hat einen Teller
mit Kutteln vor sich stehen, Kuhmagenhäppchen, um das Kind beim Namen zu
nennen, während Paolo einen großen Teller Muscheln in Tomatensoße bekommt.
Beides nicht gerade meine Favoriten. Gut, dass ich mir etwas Eigenes bestellt
habe.
»Dann mal guten Appetit Ihnen beiden und danke für die Einladung.
Ich habe wirklich irren Hunger«, lasse ich meine Begleiter wissen und stecke
mir eine Gabel mit eingelegten Artischocken in den Mund. Sie schmecken
hervorragend.
»Aber«, fange ich an, während ich kaue, »wenn Conti senior nicht
völlig hinter der Expansionsidee steht, wie wollen Sie diese dann durchführen?«
»Mein Vater ist jetzt dreiundsiebzig«, fängt
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