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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Corda
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das wie ein mächtiges Krokodil aus Gestein im Meer
zu schlummern scheint. Links von uns, am anderen Ende der Stadt, sind die
dichten Häusersiedlungen direkt auf dem Vesuv auszumachen, die fast bis auf
halbe Höhe des wuchtigen Berges geklettert sind. Ein Tanz auf dem Vulkan, denke
ich. Dahinter, ein Stück weiter südlich, liegt wie zur Mahnung, die keiner hören
will, Pompeji.
    Ich drehe mich zu Paolo um, der seinen Gedanken nachhängt und aufs
Meer starrt. Sein schön geschnittenes Gesicht hat er in Sorgenfalten gelegt.
    Er sieht atemberaubend aus.
    Ich merke gar nicht, wie intensiv ich ihn anstarre. Es wird mir erst
siedend heiß bewusst, als er sich umdreht und mir tief in die Augen schaut. Ich
schlucke, mein Mund wird ganz trocken, sodass ich die Lippen aufeinanderreiben
muss, was er natürlich registriert. Die Luft um uns, alles, scheint zu
vibrieren. Es verrinnen ein paar Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen.
    Dann, wie in Zeitlupe, fährt seine Hand meinen Arm bis zum Nacken
hoch und zieht mich langsam zu sich heran. Als unsere Lippen sich treffen,
bekomme ich weiche Knie. Ich lege ihm die Hände auf die Schultern, halb um
nicht umzufallen, halb um ihm noch näher zu kommen. Er zieht mich dichter zu
sich heran und umfasst mit beiden Händen meinen Rücken. Ich schlinge die Arme
um seinen Hals und wir küssen uns.
    »Wann musst du zum Flughafen?«, fragt er, nachdem wir uns
voneinander gelöst haben.
    Mit einem Schlag lande ich auf dem harten Boden der Realität und
schaue auf die Uhr.
    »Mein Flieger geht in einer Stunde und zehn Minuten«, gebe ich
entsetzt zurück.
    »Knapp kalkuliert, aber das ist zu schaffen«, sagt Paolo. »Ihr
Deutschen kalkuliert ja immer so präzise.« Er zückt sein Handy und bestellt ein
Taxi zum Flughafen. »In fünf Minuten kommt ein Wagen.«
    Wir gucken uns an. Ich zucke die Schultern. »Eigentlich schade«,
seufze ich.
    »Ja«, er verschlingt mich mit seinem Blick, »das ist wirklich
schade.«
    Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und wir küssen uns wieder. Dann
lösen wir uns voneinander. Paolo geleitet mich am Arm die Treppenstufen der
Terrasse hinunter, wo soeben das Taxi auf den Parkplatz rauscht und mit
quietschenden Reifen hält.
    »Also dann«, Paolo greift mich an beiden Schultern, »gute Fahrt und
einen angenehmen Flug.«
    »Danke«, stammele ich.
    Wir küssen uns ein letztes Mal und ich springe in das Taxi. Als der
Wagen anfährt, hebt Paolo kurz die Hand zum Gruß. Ich drehe mich um, winke ihm
und sinke dann verzaubert in meinen Sitz.
    Habe ich das gerade alles nur geträumt?

12.
    Am nächsten Morgen reißt mich ein entferntes Rappeln aus
dem erschöpften Tiefschlaf. Ich brauche einige Sekunden, um zu wissen, wo ich
bin. Mein erster Gedanke gilt einem umwerfend schönen Mann, der mich vor einer
umwerfend schönen Kulisse aus Meer, Vulkan und den Lichtern der Stadt atemlos
küsst. Paolo. Ja, ich bin wach. Und das Tollste: Das Ganze ist wirklich
passiert.
    Ich hangele nach meinem Handy auf dem Nachttisch und stelle fest,
dass es bereits neun Uhr ist.
    Das Geklapper, von dem ich wach geworden bin, stammt von Giorgio,
der in der Küche mit dem Geschirr hantiert. Ich texte eine schnelle Nachricht
an Simona, dass ich mich heute bei der Arbeit verspäte, und gehe in die Küche.
Mein Vermieter sitzt gut gelaunt am Küchentisch, hat die Tageszeitung vor sich
ausgebreitet und knabbert an einem Schokoladenkeks.
    » Buon giorno, bella «, begrüßt er mich
fröhlich. »Was machst du denn um diese Zeit hier?«
    »Ich musste mich ausruhen, der Tag gestern hatte es in sich«,
informiere ich ihn knapp.
    »Verstehe«, grinst Giorgio anzüglich und knabbert weiter an seinem
Keks.
    Was gibt es denn hier zu verstehen? Ich war auf einer Geschäftsreise.
    »Waren denn deine neapolitanischen Kaffeekunden nett zu dir?«, bohrt
Giorgio weiter. »Ist ja doch recht spät geworden bei dir gestern Abend.«
    »Giorgio, mein Flug ging erst so spät. Ich
musste Economy buchen«, entrüste ich mich.
    »Ach, du Arme. Eine große blonde Deutsche alleine unter vielen
kleinen, dunklen Neapolitanern, mir kommen die Tränen. Warst bestimmt einsam«,
höhnt er weiter und wühlt in der Packung auf dem Tisch nach einem weiteren
Keks.
    Fassungslos stehe ich vor ihm. Ich fühle mich ertappt und empört
zugleich. Wie kann er erahnen, was mir gestern widerfahren ist? Bevor mir eine
Antwort auf die Frage einfällt, erlöst mich das gurgelnde Sprudeln der caffettiera auf dem Herd, die Giorgio

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